Italiens früherer Regierungschef Silvio Berlusconi (76) muss im Steuerbetrugsfall weiter auf das womöglich erste rechtskräftige Urteil warten. Das höchste Berufungsgericht Italiens begann am Dienstag die Anhörung über Berlusconis Einspruch gegen die Verurteilung zu vier Jahren Gefängnis im Mediaset-Prozess. Die ursprünglich für Dienstag angekündigte Entscheidung des Kassationsgerichts in Rom wurde von den Verteidigern für Mittwoch oder Donnerstag erwartet.
Ein Schuldspruch für Berlusconi könnte auch Folgen für die Regierung des Krisenlandes Italien haben. Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) ist der wichtigste Koalitionspartner der Demokratischen Partei des Regierungschefs Enrico Letta. Bestätigt das Gericht das ebenfalls verhängte fünfjährige Verbot öffentlicher Ämter für Berlusconi, muss der Senat entscheiden, ob er dies annimmt.
Berlusconis Anwälte sicherten zu, keine weiteren Verzögerungen des Prozesses erreichen zu wollen. «Von unserer Seite aus gibt es keinen Antrag auf Verschiebung», sagte der Verteidiger Franco Coppi.
Wird das Urteil bestätigt, wäre Berlusconi erstmals in letzter Instanz schuldig gesprochen. Er könnte die Entscheidung nicht erneut anfechten. In den ersten beiden Instanzen wurde er wegen Steuerbetrugs neben der Haftstrafe auch zum Ausschluss von öffentlichen Ämtern für fünf Jahre verurteilt.
In einem anderen Verfahren hatten die Richter Ende Juni wegen Amtsmissbrauchs und Sex mit minderjährigen Prostituierten sieben Jahre Haft verhängt. Auch dieses Urteil im sogenannten «Ruby»-Prozess ist noch nicht rechtskräftig.
Im Verfahren um Berlusconis Mediaset-Konzern hatte ein Mailänder Gericht im Mai in zweiter Instanz dessen Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs bestätigt. Drei Jahre werden ihm allerdings unter Berufung auf ein Gesetz zur Strafermäßigung von 2006 erlassen. Den Rest könnte der 76-Jährige nach Einschätzung von Experten unter Hausarrest verbüßen.
Die Richter in erster Instanz hatten Berlusconi dafür verurteilt, mit einem System «massivsten Steuerbetrugs» die Kosten für TV-Rechte um Hunderte Millionen Euro aufgebläht zu haben. Nachdem Mitte Juni Italiens Verfassungsgericht eine Beschwerde Berlusconis zum Mediaset-Prozess verworfen hatte, wurde der Weg zu einem endgültigen Urteil frei.
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