Tausende Anhänger des gestürzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi sind am Sonntag durch Kairo marschiert. Sie protestierten gegen die Tötung dreier Pro-Mursi-Demonstrantinnen in der Nildelta-Stadt Al-Mansura zwei Nächte zuvor. Die Frauen waren von einem feindseligen Mob mit Messern und Schusswaffen angegriffen worden.
In Kairo nahm eine juristische Expertenkommission ihre Arbeit auf, die die Verfassung überarbeiten soll. Auch die neue Übergangsregierung tagte erstmals in voller Besetzung.
Die Mursi-Anhänger, unter ihnen viele Frauen, zogen vor allem durch das Regierungs- und Botschaftsviertel der Hauptstadt. Neben der Freilassung und Wiedereinsetzung Mursis verlangten sie die Bestrafung der für den Tod der Frauen Verantwortlichen. Auch Gegner der Islamisten verurteilten den Vorfall.
Der Islamist Mursi war am 3. Juli nach tagelangen Massenprotesten vom Militär entmachtet worden. Der bislang einzige frei gewählte Präsident in der Geschichte des Landes wird seitdem an einem unbekannten Ort und ohne formelle Anklage festgehalten. Die Muslimbruderschaft bezeichnet den Umsturz als "Militärputsch". Tausende ihrer Anhänger lagern in einem Protestcamp vor einer Moschee im Osten Kairos.
In Kairo nahm am Sonntag eine Expertenkommission ihre Arbeit auf. Sie soll die Verfassung überarbeiten, die noch unter Mursi entstanden war. Das zehnköpfige Gremium ist von Übergangspräsident Adli Mansur eingesetzt und besteht aus hochrangigen Richtern und Rechtswissenschaftlern. Seine Vorschläge sollen später einem größeren Komitee vorgelegt werden, das die politischen Gruppen repräsentieren soll. Die Endfassung soll dann in einer Volksabstimmung gebilligt werden. Der Prozess soll schließlich Neuwahlen für das Parlament - in den nächsten sechs bis sieben Monaten - und die Präsidentschaft ermöglichen.
Der von Mansur eingesetzte Ministerpräsident Hasem al-Beblawi rief seine Landsleute zu Eintracht auf. "Wir müssen zur Harmonie zurückkehren, die Spaltung kann nicht andauern", erklärte der 77-Jährige am Samstagabend im staatlichen ägyptischen Fernsehen. Bei der Bildung des 35-köpfigen Kabinetts habe er "völlig freie Hand" gehabt, habe aber auch "unter großem Zeitdruck" gestanden, sagte er im ersten Interview seit seinem Amtsantritt. Die Übergangsregierung hielt am Sonntag ihre erste Sitzung in voller Besetzung ab.
Die Muslimbruderschaft hatte den eher halbherzig angebotenen Eintritt in das Kabinett abgelehnt. Sie betrachtet alle Maßnahmen nach der Entmachtung Mursis als illegitim. Außerdem sitzen etliche ihrer Führer, die für Regierungsaufgaben infrage kämen, in Haft oder werden per Haftbefehl gesucht. Die Justizbehörden hatten zuletzt einige der prominentesten Häftlinge, unter ihnen Chairat al-Schater, den starken Mann der Organisation, vom Gefängnis Tora bei Kairo in ein Hochsicherheitsgefängnis in der Wüste gebracht.
dpa