Rettungskräfte in der kanadischen Kleinstadt Lac-Mégantic suchen auch Tage nach dem verheerenden Zugunglück weiter nach Opfern. Bislang stießen sie auf 13 Leichen, teilte die Polizei in einer Pressekonferenz am Montag (Ortszeit) mit. 37 Menschen werden kanadischen Medien zufolge noch vermisst. Die geborgenen Toten waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Die Polizei bat die Familien der Vermissten um Haarbürsten oder Zahnbürsten für DNA-Proben zur Identifizierung.
Ein führerloser Zug mit 73 Kesselwagen voller Rohöl war am Samstagmorgen in das 6000-Einwohner-Städtchen hinein gerast und explodiert. Mindestens 30 Gebäude wurden zerstört, darunter ein Supermarkt, eine beliebte Bar und die Bibliothek. Rund 2000 Menschen mussten vorübergehend ihre Häuser verlassen. Mehrere Waggons brannten bis in den nächsten Tag hinein. Etwa 100.000 Liter Öl wurden in den Quebec River gespült. 2000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Bis zu 1500 von ihnen sollten Behördenangaben zufolge möglicherweise am Dienstag zurückkehren können.
Die Bahngesellschaft wies die Verantwortung für das Unglück zurück. Der Zug war in der Nacht vor dem Unglück in Nantes, etwa 12 Kilometer von Lac-Mégantic, geparkt gewesen, meldete der Sender CBC. Zeugen hätten Rauch und Flammen gesehen und die Feuerwehr gerufen.
Der Chef von Rail World Inc, Muttergesellschaft der betroffenen Bahngesellschaft Montreal, Maine & Atlantic Railway, sagte, die Feuerwehrleute könnten dabei unwissentlich die Druckluftbremsen der Lokomotive deaktiviert haben. Dies wies die Feuerwehr zurück. Mitarbeiter der Bahngesellschaft seien anwesend gewesen. "Sie sagten uns, das Feuer sei gelöscht, alles sei stabil und wir könnten nun wieder fahren", sagte der Feuerwehrchef von Nantes, Patrick Lambert.
Züge der Montreal, Maine & Atlantic Railway, waren kanadischen Medienberichten zufolge schon häufiger in Unfälle verwickelt. Seit 2010 habe es acht Entgleisungen und vier Kollisionen gegeben, berichtete der Fernsehsender CTV.
Unterdessen konzentriert sich die Suche der Rettungskräfte vor allem auf die beliebte Bar "Musi-Café" im Stadtzentrum von Lac-Mégantic. Von vielen Gästen fehlt jede Spur. "Ich habe eine Freundin, die vor der Bar geraucht hat, als es passiert ist, und sie ist gerade noch davon gekommen", sagte die 27-jährige Anne-Julie Huot dem Sender CBC. "Wir können uns also ausmalen, was mit den Menschen in der Bar passiert ist. Es ist wie ein Alptraum, das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann."
Das gesamte Ausmaß der Schäden und die Ursache der Katastrophe blieben zunächst weiter unklar. Kanadas Premierminister Stephen Harper verglich die Unglücksstelle mit einem Kriegsgebiet und versprach umfassende Untersuchungen. Politikern, die den Unglücksort besuchten, stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben.
Das Schlimmste für ihn sei der Anblick einer kleinen Bar gewesen, sagte der liberale Parteichef Justin Trudeau. Die Gläser standen noch auf den Tischen, unberührt, so wie die um ihr Leben Flüchtenden das Lokal verlassen hatten, sagte er einem Bericht der Zeitung "Toronto Star" zufolge. "Es war wie in Pompeji in Italien, wo plötzlich eine verheerende Katastrophe diese schöne Stadt heimsuchte."
dpa/jp - Bild: Steeve Duguay (afp)