Der Luxemburger Geheimdienstskandal hält seit Wochen das ganze Großherzogtum in seinen Bann. Er bietet auch den Stoff für ganz großes Kino: In den wichtigen Rollen: Spezialagenten, Bombenanschläge, die mögliche Verwicklung ausländischer Mächte und sogar eine James-Bond-Uhr. Sie stehen Symbol für eine ganze Reihe ungeklärter Fälle und Ereignisse seit dem Kalten Krieg. Im Mittelpunkt: die Affär Bommeleeër.
In den 1980er Jahren wurde das Großherzogtum von einer bis heute ungeklärten Serie an Bombenanschlägen terrorisiert, die Strommasten, Polizeistationen, den Justizpalast, den Flughafen Findel, ein Gaswerk und auch ein Zeitungshaus beschädigten. Erstaunlicherweise wurde durch die raffinierten Sprengfallen nur ein Mensch leicht verletzt. Ein erstes angebliches Bekennerschreiben eines "Mouvement Ecologiste Combattant" schien die grüne Bewegung in Misskredit zu bringen.
Zwar reagierte man auf Schutzgeldforderungen, bei denen die Behörden Geldkoffer an den gewünschten Stellen bereitstellten. Statt diese abzuholen, schilderten die erstaunlich gut informierten Bombenleger jedoch präzise, wer genau ihnen alles vor Ort eine Falle stellte.
Trotz einer Vielzahl von Spuren und Zeugenaussagen gelang es den Ermittlungsbehörden nie, die Täter zu fassen. Einer der vielen Vorwürfe die noch immer im Raum stehen, ist, dass der damalige Justizminister Luc Frieden Druck ausgegübt habe, um die Ermittlungen zu behindern.
88 von 125 Beweisstücke verschwunden
Im Verlauf der Ermittlungen verschwanden 88 von 125 Beweisstücken. Mal versickerten Beweise, die man zur Sicherung eines Fingerabdrucks an das deutsche Bundeskriminalamt geschickt hatte, auf dem Rückweg, ... mal auf dem Weg zum amerikanischen FBI, ... mal brach in einem Archiv Feuer aus.
Nachdem die Ermittlungen tatsächlich mehrere Jahre ruhten, wurden sie im Jahr 2004 nach zahlreichen Medienberichten wieder aufgenommen.
Da sich der Verdacht auf mehrere Mitglieder des staatlichen Sicherheitsapparates richtet und das genaue Ausmaß der Affäre noch unbekannt ist, birgt die Bombenlegeraffäre nach wie vor viel politische Brisanz und Platz für eine Reihe von Spekulationen und Verschwörungstheorien.
Die Gängiste: Hinter dieser Anschlagsserie stecke etwas ganz anderes. Man habe es mit Staatsterrorismus zu tun, mit Machenschaften der Geheimdienstorganisationen verschiedener NATO-Staaten. Der Plan: Die Europäer seien nicht vorbereitet auf einen Angriff der Sowjetunion, deshalb müsse man sie terrorisieren, damit sie wachsamer werden. Eine These die nicht nur in Luxemburg vertreten wurde. Gab es doch in den 1980er Jahren ähnliche Vorkommnisse in anderen europäischen Ländern, so auch in Belgien, wo die Killerbande von Brabant mehrere Bluttaten begangen hatte.
Ob hinter den Anschlägen mehr steckt, wie Verschwörungstheoretiker vermuten, soll sich im seit Februar laufenden Bommeleeër-Prozess erweisen. Doch bislang hat der Prozess nicht mal ans Licht gebracht, wer die Bombenleger sind. Wohl aber widersprüchliche Aussagen von Polizei- und Geheimdienstmitarbeitern, die vermuten lassen: Mindestens einer lügt hier.
Wie dem auch sei: Bei der anhaltenden Frage welche Rolle der luxemburgische Geheimdienst in dieser Zeit gespielt hat, kamen ganz andere Unregelmässigkeiten ans Licht. 2004 war der luxemburgische Geheimdienst erstmalig grundlegend reformiert worden. Dazu zählte vor allem die Einführung einer parlamentarische Kontrolle. Doch die Kontrollfunktion hat der Geheimdienst auf seine Art interpretiert.
Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker bat 2008 den damaligen Geheimdienstchef Marco Mille zu einer Unterredung. Mille hatte kein Problem damit, das Gespräch mit seinem politischen Vorgesetzten ebenfalls heimlich aufzuzeichnen, wobei er sich - 007 lässt Grüßen - einer verwanzten Armbanduhr bediente.
Juncker war 2008 selber darüber informiert worden und hatte dem parlamentarischen Kontrollausschuss Geheimdienst erst im Mai 2009 davon berichtet. Wie inzwischen bekannt ist, kam es damals zu weiteren illegalen Abhöraktivitäten. Die Peinlichkeit wurde perfekt, als der Mitschnitt aus der Spezialuhr seinen Weg in die Öffentlichkeit fand.
Ministerpräsident Juncker - aber auch den Mitgliedern des Geheimdienstausschusses - brachte das den Vorwurf ein, nicht rechtzeitig auf die Machenschaften des Geheimdienstes reagiert zu haben. Dazu kommt noch eine ganze Reihe von Fehlleistungen. Verletzung des Bankgeheimnisses, Veruntreuung von Staatsgeldern, überflüssige Abhöraktionen um nur einige zu nennen. Aktionen von denen auch Juncker gewusst haben muss.
Der Präsident des Geheimdienstkontrollausschuss, Alex Bodry, gab auch bereits zu: Hier sei so manches über die Jahre schief gelaufen. Und sparte nicht an Kritik Richtung Juncker. Bodry sprach von einer Vernachlässigung Aufsichtspflicht. Die ersten Rücktrittforderungen wurden bereits laut.
Am kommenden Mittwoch wird über den Abschlussbericht im Parlament des Großherzogtums debattiert. Was genau in dem Bericht steht, soll auch dann erst bekannt.werden. Der Textantwurf liegt aber bereits vor. Im letzten Satz heißt es: Die politische Verantwortung des Premierministers ist unbetreitbar.
Politische Beobachter im Großherzogtum, schließen nicht aus, dass Junckers Koalition aus Christdemokraten und Sozialisten aufgrund der Affäre zerbricht und vorgezogene Neuwahlen anstehen.