Ägypten droht nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi eine neue Eskalation im Machtkampf zwischen Islamisten und Militär. Muslimbrüder und verbündete Parteien riefen zu einem "Freitag der Ablehnung" auf - der "Militärputsch" dürfe nicht hingenommen werden. Die Armeeführung betonte das Recht aller Bürger, sich an friedlichen Protesten zu beteiligen. "Exzesse" würden aber nicht geduldet. In den vergangenen Monaten war es nach dem Freitagsgebet immer wieder zu Straßenschlachten gekommen.
Unmittelbar nach seiner Vereidigung hatte der neue Übergangspräsident Adli Mansur am Donnerstag angekündigt, die Islamisten an der Regierung zu beteiligen. Dies schlossen die religiösen Kräfte in einer Stellungnahme jedoch kategorisch aus. Mursi selbst bezeichnete seine Entmachtung als "klaren Militärputsch".
Die Armeeführung hatte Ägyptens ersten demokratisch gewählten Präsidenten nach tagelangen, teils blutigen Massenprotesten abgesetzt und in Gewahrsam genommen. Auch gegen die Muslimbruderschaft, aus der Mursi stammt, ging sie scharf vor. Zahlreiche Spitzenfunktionäre wurden festgenommen. Das Militär begründete sein Einschreiten mit Mursis Unfähigkeit, die Staatskrise zu beenden.
Recht auf Demonstrationen nicht überbeanspruchen
In einer in der Nacht zum Freitag verbreiteten Erklärung rief der Oberste Militärrat die Ägypter auf, Ruhe zu bewahren und ihr Recht auf Demonstrationen nicht überzubeanspruchen. "Exzesse durch unnötige Beanspruchung dieses Rechts und mögliches unerwünschtes Verhalten wie Straßensperren, die Blockade öffentlicher Einrichtungen oder die Zerstörung von Eigentum" würden nicht geduldet.
Die Jubelfeiern der Mursi-Gegner im Zentrum Kairos blieben in der Nacht zum Freitag friedlich. Bei Krawallen in mehreren Provinzstädten waren zuvor aber nach Angaben des Gesundheitsministeriums mindestens zehn Menschen getötet und fast 500 weitere verletzt worden. Die Entwicklung im bevölkerungsreichsten arabischen Land löste weltweit Sorge vor neuem Blutvergießen bis hin zu einem Bürgerkrieg aus.
Aus der Halbinsel Sinai griffen militante Islamisten in der Nacht fünf Armeekontrollpunkte mit Gewehren und Panzerfäusten an. Ein Soldat wurde getötet, drei weitere verletzt, wie ägyptische Sicherheitskreise bestätigten. Zunächst war nicht klar, ob die Attacken im Zusammenhang mit dem Sturz Mursis standen.
UN: Verfolgung der Muslimbrüder muss enden
Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, hat ein Ende der Verhaftungen von ranghohen Muslimbrüdern in Ägypten nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi gefordert. "Es darf keine Gewalt mehr geben, keine willkürlichen Verhaftungen, keine illegalen Vergeltungsakte", sagte Pillay am Freitag in Genf. Nach dem vom Militär verübten Staatsstreich waren zahlreiche Funktionäre der Muslimbrüder, denen der Islamist Mursi nahesteht, festgenommen worden.
Pillay forderte zudem eine Untersuchung von angeblich organisierten sexuelle Attacken auf weibliche Demonstranten. Der ägyptische Staat habe es bislang verabsäumt, auf die Hoffnungen aller Bürger zu reagieren. Ägypten müsse sich zu einer toleranten Gesellschaft entwickeln, die auf den Menschenrechten und dem Rechtsstaat beruhe, sagte sie.
Die Afrikanische Union (AU) hat Ägypten wegen des Sturzes des demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi ausgeschlossen. Der Machtwechsel in Kairo "entspreche nicht der Verfassung Ägyptens", lautete die Begründung der AU am Freitag in Addis Abeba.
dpa/jp/mh - Bild: Gianluigi Guercia (afp)