Das EU-Parlament hat die mutmaßlichen Spionage-Aktionen des US-Geheimdienstes gegen EU-Vertretungen scharf verurteilt und einen Stopp aller Überwachungsprogramme verlangt. Die USA sollten den Europäern alle Informationen über das Überwachungsprogramm "Prism" ohne Umschweife zur Verfügung stellen, hieß es in einer Resolution, die am Donnerstag in Straßburg mit großer Mehrheit angenommen wurde.
Mit der Untersuchung der Vorwürfe über "Prism", das dem Geheimdienst NSA direkten Zugang zu Internetkommunikation bei Anbietern wie Microsoft, Google, Yahoo und Facebook ermöglicht, wird sich der Ausschuss des EU-Parlaments für bürgerliche Freiheiten beschäftigen. Darauf einigten sich die Fraktionsvorsitzenden. Die Gruppe soll mit der transatlantischen Expertengruppe zusammenarbeiten, auf die sich die EU-Kommission und das US-Justizministerium verständigt haben. Ein Sonderausschuss, für den eine Arbeitszeit von einem Jahr gilt, wäre unpraktisch: Seine Tätigkeit würde mit den Europawahlen im kommenden Jahr kollidieren.
An Freihandelsabkommen mit USA interessiert
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte am Vortag bei einem Besuch in Berlin betont, die europäische Seite sei weiterhin am Freihandelsabkommen mit den USA interessiert. Er erwarte aber, dass parallel zu den Handelsgesprächen Arbeitsgruppen die Spähvorwürfe gegen die USA aufarbeiteten.
"Damit das [Freihandelsabkommen] ein Erfolg wird, brauchen wir Vertrauen unter Partnern - und Vertrauen wird gestärkt, wenn es eine Klärung einiger Angelegenheiten gibt, die auf der europäischen Ebene starke Bedenken hervorrufen", erklärte Barroso. Die Arbeitsgruppen sollten mit Vertretern der EU und der USA besetzt werden. Von europäischer Seite solle die EU-Kommission dabei sein sowie Geheimdienstexperten der Mitgliedsstaaten.
Nach dem Willen des Parlaments sollten die Kommission und die Regierungen bei ihren Verhandlungen mit den USA Druck ausüben. Notfalls sollten sie die Vereinbarungen über die Weitergabe von Fluggastdaten und das "Swift"-Abkommen aussetzen. "Swift" erlaubt den US-Behörden, die Daten von EU-Bankkunden auszuwerten, um Geldströme von Terroristen zu kappen. Buchungsdaten von Europäern, die in die USA fliegen, landen auch bei den Geheimdiensten - ebenso wie Adresse, Kreditkarte und Menüwunsch.
In der Debatte warfen die Grünen den Bürgerlichen Feigheit vor. "Laut haben Konservative und Sozialdemokraten die Spionage der US-Geheimdienste als Skandal bezeichnet. Scharfe Konsequenzen ziehen sie aber nicht. Das ist feige", sagte Grünen-Vorsitzende Rebecca Harms. Für die Forderung von Linken und Grünen, die Freihandelsgespräche mit den USA zunächst zu stoppen, gab es im Parlament keine Mehrheit. Liberale und Konservative waren dagegen, weil sich damit die Europäer "ins eigene Fleisch schneiden" würden: Der Freihandel ist für Europa vorteilhaft. Die Gespräche sollen wie geplant am Montag in Washington beginnen.
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