Der von den USA gesuchte mutmaßliche Geheimnisverräter Edward Snowden hat laut der Organisation Wikileaks schwere Vorwürfe gegen sein Heimatland erhoben. In einer mit seinem Namen unterzeichneten Mitteilung beklagte Snowden in der Nacht zum Dienstag, dass die USA ihm sein "Menschenrecht" nehmen wollten, Asyl in anderen Ländern zu beantragen. Obwohl er keiner Straftat schuldig gesprochen worden sei, habe man seinen Reisepass für ungültig erklärt, heißt es in dem Schreiben. Die US-Regierung habe nun eine neue Strategie und benutze die "Staatsbürgerschaft als Waffe".
Es gilt als erste öffentliche Äußerung Snowdens seit seiner Flucht aus Hongkong nach Moskau vor rund einer Woche. Allerdings ließ sich zunächst nicht verifizieren, dass die auf der Website wikileaks.org veröffentlichten Zeilen tatsächlich von ihm stammen.
US-Präsident Barack Obama warf Snowden laut der Mitteilung "Täuschung" vor. Obwohl der Präsident öffentlich diplomatische Mauscheleien über seinen Fall abgelehnt habe, übe die US-Regierung Druck auf Länder auf, sein Asylbegehren abzulehnen, meinte Snowden.
Kreml: Snowden verzichtet auf Asyl in Russland
Der frühere US-Geheimdienstler Edward Snowden verzichtet nach Kremlangaben auf Asyl in Russland. Der von den USA Gesuchte habe seinen Antrag zurückgezogen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag Agenturen zufolge in Moskau. Grund seien die von Kremlchef Wladimir Putin genannten Asyl-Bedingungen.
Der russische Präsident hatte am Vortag gefordert, dass der 30-Jährige aufhöre, mit seinen Enthüllungen den USA Schaden zuzufügen. Wenn sich Snowden daran halte, könne er in Russland bleiben.
Nach Darstellung von Peskow hält der US-Amerikaner diese Bedingung für unannehmbar. Snowden halte sich für einen echten Kämpfer für Wahrheit und Gerechtigkeit, sagte Peskow. Nach Kremlangaben wird Russland ihn aber weiter nicht ausliefern, weil in den USA die Todesstrafe verhängt werde.
Der IT-Experte hält sich seit fast zehn Tagen im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo auf. Er hat weder einen gültigen Pass noch ein russisches Visum.
Der von den USA wegen Verrats gesuchte Informant hat nach Angaben der Enthüllungsplattform Wikileaks auch Asyl in Deutschland beantragt. Dies geht aus einer am Dienstag in Internet veröffentlichten Auflistung hervor. Die Anträge seien einem Beamten des russischen Konsulats in Scheremetjewo übergeben worden. Sie sollen an die entsprechenden Botschaften in Moskau weitergeleitet werden.
Ecuadors Präsident: Snowden nicht zur Flucht verhelfen
Ecuador rückt immer weiter vom US-Geheimdienstler Edward Snowden ab. Präsident Rafael Correa sagte in einem Interview mit der Zeitung "The Guardian", sein Land habe dem US-Informanten nie zur Flucht verhelfen wollen und prüfe einen Asylantrag derzeit noch nicht. Snowden müsse erst ecuadorianisches Territorium erreichen, ehe das Land einen Asylantrag bearbeiten könne. Russland sei nun am Zuge. "Sind wir dafür verantwortlich, ihn nach Ecuador zu bringen? Das ist nicht logisch", sagte Correa. Es liege an Russland, Snowden ein Reisedokument auszustellen.
Die USA haben den Reisepass des 30-jährigen Amerikaners für ungültig erklärt. Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter sitzt im Transitbereich des Moskauer Flughafen Scheremetjewo fest. Correa sagte, seine Regierung habe Snowden mit der Ausstellung von vorübergehenden Reisedokumenten nicht zur Flucht nach Hongkong verhelfen wollen. "Das war ein Fehler unsererseits."
Diplomatisches Desaster für Obama-Regierung
Der Fall Snowden erweist sich für die Obama-Regierung immer mehr als diplomatisches Desaster. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel reagierte sichtlich verärgert auf die mutmaßlichen Spionageaktionen der USA in Deutschland und Europa. Sie forderte von Obama rasche Aufklärung. Die Kanzlerin werde die Affäre zur Chefsache machen und "in nächster Zeit" mit Obama telefonieren, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Obama selbst sagte während seiner Afrikareise in Tansania, man werde die Verbündeten "angemessen unterrichten". In Bezug auf Deutschland fügte Obama hinzu: "Wenn ich wissen will, was Kanzlerin Merkel denkt, dann rufe ich Kanzlerin Merkel an (...) letztlich arbeiten wir so eng zusammen, dass es fast keine Informationen gibt, die wir nicht zwischen unseren Ländern teilen".
Obama bestätigte, dass die USA und Russland auf hoher Ebene über eine Auslieferung Snowdens verhandelten. Nach einem Bericht der Zeitung "Los Angeles Times" hatte Snowden Asyl in 15 Ländern beantragt. Von Russland muss Snowden keine Auslieferung in die USA befürchten: "Russland liefert niemals niemanden nirgendwohin aus und plant dies auch nicht", sagte Putin.
Europäische Verbündeten bespitzelt
Das deutsche Magazin Der Spiegel berichtet in seiner aktuellen Ausgabe darüber, dass der amerikanische Geheimdienst NSA auch seine europäischen Verbündeten bespitzelt haben soll. Es ist die Rede von Wanzen in der EU-Vertretung in Washington. Auch Gebäude der Europäischen Union in Brüssel sollen die Amerikaner abgehört haben - von abgeschirmten Räumlichkeiten im NATO-Hauptquartier in Brüssel aus.
Die Berichte in der Presse hätten ihn sehr betroffen gemacht, sagt Herman Van Rompuy und fordert in Bezug auf die Vorwürfe vollständige Aufklärung von den Amerikanern. Das geht Guy Verhofstadt, dem ehemaligen belgischen Premierminister und Fraktionschef der Liberalen im Europa-Parlament allerdings nicht weit genug. Er fordert eine klare Reaktion der EU. Betroffenheit sei viel zu schwach. Die Menschen seien empört und hätten Angst vor dem, was derzeit aufgedeckt wird.
US-Außenminister John Kerry bezeichnete das Sammeln von Informationen in anderen Ländern als "nichts Ungewöhnliches". "Jedes Land, das sich international mit Fragen der nationalen Sicherheit befasst, unternimmt jede Menge Aktivitäten, um seine nationale Sicherheit zu schützen, und dazu gehört (das Sammeln) von allen möglichen Informationen", sagte Kerry.
Welche Rolle spielt der belgische Geheimdienst?
Im Zusammenhang mit dem amerikanischen Abhörskandal fordert die flämische Anwaltskammer eine Untersuchung um zu klären, welche Rolle der belgische Staatssicherheitsdienst dabei spielt. Konkret geht es um die Frage, ob die belgischen Geheimdienstler von den amerikanischen Aktivitäten nichts wussten oder in die Praktiken der US-Spionagedienste eingeweiht waren.
Auch steht die Frage im Raum, ob Belgien sich indirekt mitschuldig gemacht hat. Sollte die Staatssicherheit in den Besitz von Daten über das Abhörprogramm PRISM gelangt sein, dann besteht für Hugo Vandenberghe, den Präsidenten der flämischen Anwaltskammer, kein Zweifel an einer belgischen Mitschuld.
Für Justizministerin Annemie Turtelboom lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten. Für die Staatssicherheit sei es nicht möglich, die Methode, mit der andere Geheimdienste ihre Informationen erlangen, zu beurteilen, so die Ministerin. Die belgische Staatssicherheit unterhalte nur Kontakte zum amerikanischen Auslandsspionagedienst CIA, nicht aber zum Inlandsgeheimdienst NSA.
belga/dpa/sh - Archivbild: Philippe Lopez (afp)