Der oberste Chef der US-Geheimdienste, James Clapper, hat am Sonntag (Ortszeit) die Aufklärung der Fragen um den mutmaßlichen Abhörskandal in europäischen Regierungs- und EU-Einrichtungen versprochen. "Die US-Regierung wird der Europäischen Union angemessen über unsere diplomatischen Kanäle antworten", erklärte das Büro des Geheimdienstdirektors. Klärung werde es auch in dem beidseitigen Experten-Dialog über die Geheimdienste geben, den die USA vor Wochen angekündigt haben.
"Wir werden diese Themen auch bilateral mit EU-Mitgliedsstaaten besprechen", so die Erklärung. "Während wir grundsätzlich bestimmte, mutmaßliche Geheimdienstaktivitäten nicht öffentlich kommentieren, haben wir klar gemacht, dass die USA ausländische Geheimdienstinformationen in der Weise sammeln, wie es alle Nationen tun."
Außenminister Reynders bestellt US-Botschafter ein
Im Zusammenhang mit den Ausspähaktionen der US-Geheimdienste hat Außenminister Didier Reynders den amerikanischen Botschafter Howard Gutman einbestellt. Es sei unverzichtbar, dass die Vorgänge aufgeklärt würden, sagte Reynders in Brüssel. Er erwarte jetzt zunächst von Seiten des US-Botschafters nähere Erklärungen zu den Presse-Informationen, wonach europäische Einrichtungen systematisch durch den US-Geheimdienst überwacht worden sein sollen.
Nach den Enthüllungen über die angebliche Bespitzelung von EU-Gebäuden durch US-Geheimdienste führt die EU-Kommission eine Sicherheitskontrolle durch. "Im Licht der jüngsten Vorwürfe hat (Präsident José Manuel) Barroso die Kommissionsdienste aufgefordert, die Gebäude umfassend zu durchsuchen und Sicherheitschecks zu machen", sagte seine Sprecherin am Montag. Sie fügte hinzu, dass dies regelmäßig geschehe und Büros, Telefonanlagen und Computernetze auf Spionage und Abhöraktionen überprüft werden.
Die EU-Kommission hatte am Vortag von der US-Regierung Aufklärung verlangt. "Wir erwarten schnelle eine Klarstellung von unseren amerikanischen Partnern." Sie räumte ein: "Natürlich sind wir besorgt, denn wenn das wahr wäre, würde das sehr viel Unruhe stiften." Auf die Frage nach möglichen Auswirkungen der Enthüllungen auf die Gespräche über ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU wollte sie sich nicht äußern.
Die EU-Kommission verwies darauf, dass die angeblichen Abhöraktionen bereits einige Jahre zurücklägen und 2010 sowie 2007 stattgefunden haben sollen. Die angeblich betroffenen EU-Delegationen seien inzwischen in andere Gebäude umgezogen, sagte der Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton.
Weiter Nervenkrieg um Snowden
Im Spionagethriller um den US-Informanten Edward Snowden soll Venezuelas Präsident Nicolás Maduro bei einem Besuch in Russland neue Bewegung bringen. Kremlchef Wladimir Putin werde mit seinem Amtskollegen den Fall am Rande einer Energiekonferenz besprechen, berichteten russische Medien am Montag.
Maduro, der noch am Montag in Moskau erwartet wurde, hatte politisches Asyl in seinem Land für Snowden nicht ausgeschlossen. Der frühere US-Geheimdienstler sitze weiter ohne gültige Dokumente im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo fest, sagte ein Mitarbeiter des Airports. Die USA hatten den Reisepass des Gesuchten für ungültig erklärt.
Eine mögliche Flucht des 30-Jährigen nach Ecuador sei dagegen "schon nahezu hinfällig", meinte der russische Politologe Michail Beljat. "Das Land rückt gerade deutlich von Snowden ab", sagte der Südamerika-Experte der Zeitung "Iswestija". Snowden hatte in Ecuador Asyl beantragt. Zuletzt sagte aber Präsident Rafael Correa, der Andenstaat sehe zuvor Russland am Zug.
Nach Lesart des Kremls hat Snowden bei seinem nun einwöchigen Aufenthalt im Transitbereich nicht offiziell die russische Grenze überschritten. Moskau empfinde daher keinen akuten Handlungsbedarf in dem Fall, hatte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Vortag betont.
belga/dpa/mh/sh - Archivbild: Michael Reynolds (epa)