Ein neuer Generalstreik gegen die Sparpolitik hat das Euro-Krisenland Portugal teilweise lahmgelegt und die Mitte-Rechts-Regierung weiter in die Isolation getrieben. Vor allem der öffentliche Nah- und Fernverkehr, die Postzustellung und die Müllabfuhr kamen am Donnerstag nach Medienberichten nahezu völlig zum Erliegen.
Die Beteiligung sei vor allem unter Staatsbediensteten sehr hoch gewesen, hieß es. Auch in öffentlichen Krankenhäusern und im Bildungswesen war der Streik deutlich zu spüren. Im ganzen Land gab es zudem viele friedliche Kundgebungen.
Man werde die Regierung schwächen, die in zwei Amtsjahren 300.000 Stellen vernichtet habe, sagte CGTP-Gewerkschaftsboss Arménio Carlos. Seine 800.000 Mitglieder starke Organisation fordert: "Basta mit Ausbeutung und Verarmung, weg mit dieser Regierung!". Den Rücktritt von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho, Neuwahlen sowie eine neue Wirtschafts- und Sozialpolitik will auch die gesamte Opposition.
Wie weit die Regierung nach vielen Sozialkürzungen und Steuererhöhungen inzwischen isoliert ist, zeigt die Tatsache, dass erstmals ein Streik von keinem einzigen wichtigen Arbeitgeberverband verurteilt wurde. "Die Arbeiter haben allen Grund, empört zu sein", sagte der Präsident des Industrie-Verbandes CIP, António Saraiva. Verständnis für die Protestaktion äußerten auch die Verbände der Agrarunternehmer (CAP), des Tourismus- (CTP) und des Handels- und Dienstleistungssektors (CCP).
Von internationalen Geldgebern gelobt
Dabei war die von Passos` Sozialdemokraten angeführte Regierung erst am Mittwoch von den internationalen Geldgebern gelobt worden. Das Sanierungs- und Reformprogramm sei im Großen und Ganzen auf gutem Wege, die Stabilität des Finanzsektors sei gewahrt worden, beteuerte die Europäische Kommission. Lissabon hatte sich zu einem strengen Sparkurs verpflichtet, nachdem die "Troika" aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds 2011 ein Hilfspaket von 78 Milliarden Euro gewährt hatte. Kurz vor Streikbeginn meinte der Regierungschef, Portugal brauche Arbeit und keine Proteste.
In einer gemeinsamen Bilanz der zweijährigen Amtszeit von Passos klagen die Arbeitgeber: "Man muss bescheiden zugeben, dass da etwas schiefgegangen ist. (...) Die Zahl der Arbeitslosen nahm um 263.000 zu. Die Arbeitslosenquote kletterte von 10,8 Prozent 2010 auf rund 18 Prozent. Im Bereich der Investitionen beläuft sich der Einbruch auf 30 Prozent. Parallel dazu schrumpfte die Wirtschaft um 6,3 Prozent." Immer mehr Kritik kommt zudem aus den Reihen des PSD-Koalitionspartners Demokratisches und Soziales Zentrum (CDS).
Es ist bereits der vierte Generalstreik gegen Passos. Zwei Mal gingen die beiden größten Gewerkschaften, CGTP und UGT, gemeinsam auf die Barrikaden. Das hatte es zuvor nach der Nelkenrevolution von 1974 nur ganze zwei Mal gegeben. Der Streik war am Donnerstag auch beim Privatsektor zu spüren. Es gab kilometerlange Staus, und viele Firmen wie das VW-Werk Autoeuropa 35 südlich von Lissabon blieben geschlossen. "Ich habe nicht protestiert, weil ich sonst entlassen werde, aber bei einem Nettogehalt von 380 Euro ist mir bald auch alles egal", sagte die Verkäuferin Tania (28).
Emilio Rappold, dpa/fs - Bild: Patricia De Melo Moreira (afp)