Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer und dem Ende des Kalten Krieges will US-Präsident Barack Obama der atomaren Abrüstung neuen Schub verleihen. Die Sicherheit der USA und ihrer Verbündeter könne auch bei einer Reduzierung der Zahl der Atomsprengköpfe um bis zu ein Drittel sichergestellt werden, sagte er am Mittwoch in Berlin.
Bei seiner mit Spannung erwarteten Rede vor dem Brandenburger Tor beschwor Obama ebenso wie Kanzlerin Angela Merkel die transatlantische Partnerschaft für Demokratie, Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Wohlstand weltweit.
Mit seinem Vorstoß knüpfte Obama an seine Prager Rede vom April 2009 an, als er seine Vision einer atomwaffenfreien Welt formuliert hatte. In Berlin sagte Obama in seiner 30-minütigen Rede, er wolle darüber hinaus zusammen mit den Verbündeten eine Reduzierung der taktischen Atomwaffen der USA und Russlands erreichen. "Wir werden einen internationalen Rahmen schaffen für die friedliche Nutzung der Kernkraft."
Die nuklearen Ambitionen Nordkoreas und Irans müssten in Grenzen gehalten werden. "Amerika wird 2016 einen Nuklearsicherheitsgipfel abhalten, um auch Spaltmaterial auf der ganzen Welt zu bannen", sagte er bei sengender Hitze auf dem Pariser Platz. Zum Thema Syrien meinte Obama, es müsse gewährleistet werden, dass dort Chemiewaffen nicht zum Einsatz kommen. Er verteidigte die angekündigten Gespräche mit den afghanischen Taliban.
Prism und Guantanamo
Obama verteidigte die umstrittenen Internet-Spähprogramme des US-Geheimdienstes: "Sie helfen dabei, Menschen in Amerika und andernorts zu schützen." Schon zuvor hatte der Präsident bei einer Pressekonferenz mit Merkel gesagt, mindestens 50 mögliche Anschläge seien durch diese Praxis vereitelt worden, nicht nur in den USA. "Man hat durch diese Programme Leben gerettet", sagte Obama. “Prism” soll auch einen Selbstmordanschlag in Belgien vereitelt haben.
Begleitet von starkem Applaus der Zuhörer sagte Obama, er werde seine Bemühungen verdoppeln, das Gefangenenlager Guantanamo zu schließen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International demonstrierte am Rande des Besuchs gegen das Lager.
Obama warnte vor den Risiken eines überzogenen Sparkurses. Alle Länder müssten den Schwerpunkt auf mehr Wachstum legen. Es dürfe nicht soweit kommen, dass angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit eine ganze Generation verloren gehe. "Da müssen wir irgendwann auch unseren Ansatz ändern", sagte Obama nach seinem Gespräch mit Merkel. Die US-Regierung sieht den harten Sparkurs in der Euro-Zone seit langem kritisch und fordert mehr Impulse für Wirtschaftswachstum.
Wirtschaftliche Beziehungen
Für die Weltwirtschaft sei das angestrebte Handelsabkommen zwischen den USA und Europa von großer Bedeutung, sagte Obama: "Davon profitieren alle." In seiner Rede betonte er, der gemeinsame Handel sei "Motor der globalen Wirtschaft". Bei einem Erfolg der Verhandlungen würden auf beiden Seiten des Atlantiks tausende Arbeitsplätze entstehen. Merkel betonte, sie werde sich "mit aller Kraft" für das Abkommen einsetzen.
Der US-Präsident warb in seiner Rede auch für einen engagierten Kampf gegen den Klimawandel. Die USA hätten ihren Anteil an erneuerbaren Energien verdoppelt. "Wir müssen aber mehr tun, und wir werden mehr tun." Das gelte auch für andere Länder. Nötig sei ein globaler Pakt, um den Klimawandel aufzuhalten. "Das ist unsere Aufgabe, und wir müssen uns an die Arbeit machen."
Obama erinnerte an die Rede von US-Präsident John F. Kennedy vor fast genau 50 Jahren in Berlin. "Wir sind nicht nur Bürger Deutschlands oder Amerikas, sondern auch Weltbürger", rief der Präsident. Er sprach sich auch für eine weitgehende rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen und gegen jede Form der Diskriminierung aus.
Küsschen zur Begrüßung
Obama traf während seines 25-Stunden-Besuchs mit Merkel sowie mit Bundespräsident Joachim Gauck zusammen. Am Nachmittag gab es eine Begegnung mit SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Das eng getaktete Besuchsprogramm Obamas war von vielen Gesten der Freundschaft geprägt. Obama küsste Merkel zur Begrüßung auf die Wangen und legte ihr vertraut seine Hand auf den Rücken. Mit Gauck präsentierte er sich Arm in Arm.
Der US-Präsident wurde von seiner Frau Michelle und den beiden Töchtern Sasha und Malia begleitet. Sie besichtigten das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, das Mauer-Panorama des Künstlers Yadegar Asisi am Checkpoint Charlie und die Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße. Dabei waren auch der Ehemann der Kanzlerin, Joachim Sauer, und Auma Obama, die ältere Halbschwester des US-Präsidenten.
Es war der erste Besuch Obamas in Berlin als Präsident seit seinem Amtsantritt 2009. Aus Sorge vor einem Anschlag waren bis zu 8000 Polizisten im Einsatz. Zum Abschied ist im Schloss Charlottenburg ein festliches Abendessen geplant. Am Abend will der US-Präsident zurück nach Washington fliegen.
dpa - Bild: Jewel Samad (afp)