Eineinhalb Jahre vor dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell in ganz Afghanistan die Verantwortung übernommen. "Die Sicherheitsverantwortung wird jetzt auf die afghanischen Truppen entfallen", sagte Präsident Hamid Karsai am Dienstag in der Militärakademie am Rande Kabuls. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach von einem "Meilenstein".
"Die afghanischen Kräfte übernehmen heute die Führung bei der Sicherheit", sagte Rasmussen. "Der Schwerpunkt unserer Truppen verschiebt sich jetzt vom Kampf zur Unterstützung. Wir werden die afghanischen Truppen bei Bedarf weiter bei Operationen unterstützen. Aber wir werden diese Operationen nicht mehr planen, durchführen oder anführen." Kurz vor der Zeremonie in der Militärakademie riss ein Selbstmordattentäter in einem anderen Viertel der afghanischen Hauptstadt mindestens drei Zivilisten mit in den Tod.
Karsai kündigte an, eine Delegation des von ihm ins Leben gerufenen Hohen Friedensrates (HPC) zu Gesprächen mit den Taliban in den Golf-Staat Katar zu entsenden.
Verbesserte Sicherheitslage
Karsai sprach von einer verbesserten Sicherheitslage. Nach Ansicht von Experten hat sich die Lage dagegen in den vergangenen Monaten wieder deutlich verschlechtert. Der Nato-Kampfeinsatz läuft Ende 2014 aus. Die Nato plant danach eine deutlich kleinere Mission zur Ausbildung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte.
"Das afghanische Volk muss sich nicht länger auf Koalitionstruppen verlassen, um Sicherheit zu bieten", hieß es am Dienstag in einer "Glückwunschadresse" des Kommandeurs der Nato-geführten Schutztruppe Isaf, Joseph Dunford. "Afghanische Soldaten und Polizisten beschützen jetzt ihre afghanischen Landsleute."
Bislang hatten die afghanischen Sicherheitskräfte die Verantwortung bereits in 305 der 400 afghanischen Distrikte. Die restlichen 95 Distrikte werden nun offiziell übergeben. Der Nato-Kampfeinsatz läuft Ende 2014 aus. Die Nato plant danach eine deutlich kleinere Unterstützungsmission.
Taliban eröffnen "politisches Büro" in Katar
Die afghanischen Taliban haben ein Verbindungsbüro im Golf-Emirat Katar eröffnet. Ziel des "politischen Büros" in Doha sei es, "eine friedliche und politische Lösung" des Afghanistankrieges zu unterstützen, hieß es in einer am Dienstag verbreiteten Mitteilung der Taliban. Damit sollten "das Ende der Invasion in Afghanistan und die Stärkung eines unabhängigen und islamischen Systems" im Land erreicht werden.
Taliban-Vertreter Muhammad Naim sagte bei einer vom Sender Al-Dschasira übertragenen Pressekonferenz in Doha, das "Islamische Emirat Afghanistans" wolle Gespräche mit den "Ländern der Welt" initiieren. Auch "mit Afghanen" sollten Gespräche geführt werden.
Die Taliban ließen offen, ob sie auch mit der Regierung von Präsident Hamid Karsai sprechen würden. Bislang lehnten sie das ab, weil sie Karsai für einen Handlanger der USA halten. "Vorläufige Gespräche" mit der US-Regierung hatten die Taliban im März vergangenen Jahres ausgesetzt.
Medien: USA wollen Verhandlungen mit Taliban
Vertreter der USA und der Taliban wollen nach Informationen von NBC-News erstmals Verhandlungen über eine friedliche Lösung für Afghanistan aufnehmen. Der amerikanische TV-Sender berief sich dabei am Dienstag auf einen hochrangigen Regierungsvertreter aus Washington. Zu den Themen werde auch der Gefangenenaustausch gehören.
Das Treffen soll demnach im Laufe der kommenden Tage in der Hauptstadt des Golf-Emirats Katar, Doha, stattfinden. Es wird für möglich gehalten, dass die Taliban auch direkt mit der afghanischen Regierung verhandeln werden.
dpa/jp/okr/sh - Bild: Shah Marai (afp)