Durchbruch für mehr Wohlstand in Europa und Amerika: Die beiden größten Wirtschaftsblöcke der Erde wollen über eine Freihandelszone verhandeln. Das sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Montag vor Beginn des G8-Gipfels in Nordirland. Wenig Hoffnung auf einen ähnlichen Durchbruch gab es hingegen in der Syrien-Frage. Der Westen und Russland lagen weiterhin über Kreuz, wie der Bürgerkrieg politisch beendet werden kann.
Dem britischen Premier und Gipfel-Gastgeber David Cameron verhagelten Enthüllungen der Zeitung "Guardian" über einen Spionage-Skandal beim G20-Gipfel 2009 in London die Stimmung.
Der transatlantische Handels-Deal ist bahnbrechend. Der Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen soll für Wachstumsimpulse und Arbeitsplätze sorgen. Die Freihandelszone wäre mit 800 Millionen Einwohnern so groß wie keine andere auf der Welt. Man werde noch heute gemeinsam mit US-Präsident Barack Obama grünes Licht geben, sagte Barroso am nordirischen Lough Erne.
Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung
Die EU und die USA stehen gemeinsam für fast die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung. Rund ein Drittel der globalen Handelsströme entfallen allein auf sie. Unterschiedliche technische Normen, Sicherheitsstandards oder Wettbewerbsvorschriften schränken den Handel jedoch ein.
Großbritanniens Premier Cameron sagte, ein erfolgreicher Kampf gegen Steuerbetrug und Steuervermeidung von internationalen Unternehmen könne die Steuerlast der Bürger senken.
Wenig hoffnungsvoll für einen Durchbruch dieser Qualität waren Diplomaten für die Beratungen zwischen Russland und seinen westlichen Partnern beim G8 über Syrien. Dennoch setzte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die am Nachmittag in Nordirland eintraf, darauf, dass sich Russland doch bewegen könne.
"Russland hat leider bis jetzt mehrere Resolutionen im Sicherheitsrat verhindert. Vielleicht kommen wir bei diesem Thema jetzt voran", sagte Merkel vor dem Abflug. Allerdings machte sie nicht allzu große Hoffnungen auf Fortschritte, da es "sicherlich an mancher Stelle auch kontroverse Beratungen" geben werde. US-Präsident Barack Obama und Kremlchef Wladimir Putin wollten am Abend zu einem Gespräch unter vier Augen auch über Syrien zusammenkommen.
Aus Moskau kamen wieder dieselben scharfen Töne wie in den Tagen zuvor. Die russische Regierung kritisierte scharf Überlegungen der USA, Frankreichs und Großbritanniens, die Aufständischen gegen Syriens Präsident Baschar al-Assad aufzurüsten. Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch sagte, solche Pläne führten zu einer Eskalation und behinderten die Arbeiten für eine neue Friedenskonferenz in Genf.
Hintergrund der westlichen Pläne ist, dass die USA und Frankreich Erkenntnisse haben, wonach der syrische Machthaber Assad tödliches Giftgas gegen die Aufständischen eingesetzt hat. Für Deutschland schloss Merkel noch einmal aus, Waffen an die Opposition zu liefern. Dennoch sei sie nicht isoliert. "Deutschland steht nicht abseits", sagte die Kanzlerin.
Konflikte um Atomprogramme
Auf der außenpolitischen Agenda des zweitägigen Treffens der Staats- und Regierungschefs standen neben Syrien auch die Konflikte um die Atomprogramme Nordkoreas und des Irans. Auch darüber sollte am Abend bei einem Essen beraten werden. Die erste Arbeitssitzung am Nachmittag hatte die Lage der Weltwirtschaft zum Thema.
Merkel und ihre Kollegen versammeln sich in einem idyllisch gelegenen Golfhotel an einem See, dem Lough Erne. Zur G8 gehören die USA, Kanada, Russland, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien.
Die Spitzelaffäre des britischen Geheimdienstes könnte die sonst vertrauensvolle Atmosphäre bei Gipfeln wie in Lough Erne durchaus belasten. Der britische Nachrichtendienst GCHQ soll 2009 im Zuge des G20-Gipfels in London Delegationen Verbündeter wie Südafrika und Türkei ausgespäht haben, berichtete der "Guardian".
Obama in Belfast
Vor Beginn des G8-Gipfels hat US-Päsident Barack Obama in Belfast eine Rede vor jungen Katholiken und Protestanten gehalten. Darin bezeichnete er den Friedensprozess in Nordirland als Vorbild für andere Konfliktregionen der Welt.
Tausende Jugendliche aus Nordirland haben US-Präsident Barack Obama und seine Frau Michelle in Belfast begeistert gefeiert. Zunächst sprach Michelle Obama und dann der Präsident am Montag in einem Kongresszentrum der nordirischen Hauptstadt über den Friedensprozess im einst vom Bürgerkrieg geplagten Nordirland.
Beide sprachen den gut 2000 Jugendlichen Mut zu, sich weiter für den Frieden zu engagieren. "Denen, die den Weg des Friedens gewählt haben, verspreche ich, dass die Vereinigten Staaten jeden Schritt dieses Weges unterstützen werden", sagte Obama.
Der US-Präsident und seine Familie waren am Morgen in Belfast gelandet. Anschließend wurde Obama beim G8-Gipfel am Lough Erne bei Enniskillen erwartet. Michelle Obama und ihre Töchter Natasha und Malia wollten weiter in die irische Hauptstadt Dublin reisen.
Obama würdigte den politischen und wirtschaftlichen Erfolg seit 1998, als mit dem Karfreitagsabkommen offiziell Frieden geschlossen worden war. In Belfast stellen nun Protestanten und Katholiken gemeinsam die Regionalregierung. Vize-Ministerpräsident ist mit Martin McGuinness ein früherer IRA-Terrorist. Die IRA und die protestantischen Untergrundorganisationen haben weitgehend die Waffen niedergelegt.
Obama erinnerte an die Tausenden, die von der irischen Insel nach Amerika aufgebrochen waren, und an die besondere Beziehung vieler US-Bürger zur irischen Heimat der Vorfahren. Auch Obamas Ur-Ur-Ur-Großvater war in dem kleinen Ort Moneygall geboren worden, den die Obamas 2011 besucht hatten. "Unsere Geschichte ist verbunden durch Blut und Glaube, durch Kultur und Handel", sagte Obama. "Und unsere Zukunft ist gleichermaßen unauflösbar miteinander verbunden."
Martin Romanczyk, dpa/vrt/okr/sh - Bild: Kerim Okten (afp)