Turbulenzen ohne Ende in Griechenland: Die Journalisten setzen ihren Protest gegen die Schließung des staatlichen Rundfunks und Fernsehens (ERT) fort. Die Europäische Rundfunk-Union (EBU) fordert, den Sendebetrieb wieder aufzunehmen.
Parallel verschärft sich der Streit innerhalb der Athener Regierungskoalition. Das Kabinett um Ministerpräsident Antonis Samaras gerät immer mehr unter Druck. Am Montag soll es zu einem alles entscheidenden Koalitionsgipfel mit den Sozialisten und der Demokratischen Linken kommen.
Auch der Präsident der Republik, Karolos Papoulias, sei besorgt, hieß es am Freitag aus Kreisen der Staatspräsidentschaft. Neuwahlen könnten die Bemühungen des Landes, aus der Krise herauszukommen, um Monate zurückwerfen. Papoulias sei für eine Reform des Staatsrundfunks, aber gegen eine Schließung.
"Wir haben die Fortsetzung der Streiks in allen Medien (Zeitungen, Radio und Fernsehen, Internet) beschlossen", hieß es in einer Erklärung des Journalistenverbands. Wie lange sie dauern werden, blieb offen. In Radiosendungen wurde am Freitag nur über die Schließung des Staatsrundfunks und die Folgen berichtet. Andere Nachrichten gab es nicht.
Auch die Europäische Rundfunk-Union (EBU) schaltete sich ein. EBU-Präsident und RTBF-Intendant Jean-Paul Philippot, der bereits die Wiederöffnung der ERT gefordert hatte, übergab in Athen einen entsprechenden Brief an die Regierung. Der Brief enthält die Unterschriften der Direktoren von 51 europäischen öffentlich-rechtlichen Sendern. "Die Regierung muss den Beschluss (der Schließung) zurücknehmen", sagte Philippot bei einer Pressekonferenz im Gebäude des Staatsrundfunks.
Ausweg gesucht
Die Regierung suchte nach einem Ausweg aus der Krise. Ein enger Mitarbeiter des Regierungschefs sondierte am Freitag in einem Treffen mit dem Chef der kleinen Koalitionspartei Demokratische Linke (Dimar) die Möglichkeit einer Interimslösung, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Ein Notprogramm des staatlichen Rundfunks könne auf Sendung gehen, bis in etwa zwei Monaten eine neue Institution gegründet werde.
Die Demokratische Linke lehnte dies ab. Das staatliche Fernsehen solle wieder geöffnet werden - "so wie es war", forderte die Partei. Danach könne es Reformen geben, sagte ihr Sprecher. Daraufhin soll der Vertreter von Samaras einen anderen Vorschlag gemacht haben. Das Parlament solle im Eilverfahren ein Gesetz zur Neugründung des Staatsrundfunks billigen, wenn möglich schon kommenden Dienstag. Dann könnte die neue Hörfunk- und Fernsehanstalt schon Ende kommender Woche öffnen.
Für Montagabend wurde ein Koalitionsgipfel mit Premier Samaras, Linken-Chef Fotis Kouvelis sowie dem Sozialisten Evangelos Venizelos anberaumt. Dabei sollen alle diese Szenarien nochmals durchgespielt werden. Die beiden kleinen Koalitionspartner fordern jedoch die sofortige Wiederöffnung der ERT. Griechische Medien schlossen eine Auflösung der Koalition nicht mehr aus.
Verfahren vor Verwaltungsgerichtshof
Mit Spannung wurde eine Entscheidung des höchsten griechischen Verwaltungsgerichtshofes erwartet. Die entlassenen Mitarbeiter der ERT haben Beschwerde eingelegt, weil sie den Beschluss zur Schließung ihres Senders für verfassungswidrig halten. Nach neuesten Informationen wird mit einer Entscheidung jedoch erst Anfang der neuen Woche gerechnet.
Zeitungsherausgeber warnten vor einer Fortsetzung des Journalisten-Streiks. "Wenn die Journalistenverbände es nicht begreifen, muss ich es ihnen klar sagen: Wenn am (kommenden) Sonntag die Zeitung nicht erscheint, dann werden wir die Löhne der Redakteure nicht bezahlen können", warnte Nikos Hadzinikolaou, der Herausgeber einer der wichtigsten Sonntagszeitungen Griechenlands, der "Realnews". Auch andere Verleger warnten, die Fortsetzung der Streiks könnte zur Schließung von Zeitungen und Sendern führen.
Journalisten hielten am dritten Tag in Folge die Fernsehstudios des geschlossenen Staatsrundfunks besetzt. Auch am Freitag sendeten sie ein Protestprogramm via Internet. In einigen Regionen des Landes wurde das Programm sogar über kleine Piratensender und Sendeanlagen privater Radio- und Fernsehsender übertragen. Auch die Europäische Rundfunk-Union überträgt auf ihrer Homepage das Protestprogramm.
Die ERT hatte in der Nacht zum Mittwoch auf Regierungsanweisung ihren Sendebetrieb einstellen müssen. Rund 2700 Menschen verloren ihre Arbeit. Ende August soll es einen Neustart mit etwa 1200 Beschäftigten geben.
dpa/orf/mh - Bild: Louisa Gouliamaki (afp)