Regierungskrise, Streiks und Spekulationen über Neuwahlen: Nach der Schließung des staatlichen Rundfunks und Fernsehens (ERT) steckt Griechenland inmitten neuer Turbulenzen. Umfangreiche Streiks lähmten am Donnerstag in dem Euro-Krisenland die öffentliche Verwaltung und den Personenverkehr. Journalisten streikten den zweiten Tag in Folge. Zwar hatten Gewerkschaften zu einem Generalstreik aufgerufen, aber Banken, Supermärkte, Geschäfte und Hotels blieben geöffnet. Auch U-Bahnen fuhren.
Zum Streik hatten die beiden größten Gewerkschaftsverbände des staatlichen und privaten Bereichs (ADEDY und GSEE) aufgerufen. Sie reagierten damit auf eine Entscheidung des konservativen griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras, der ohne Zustimmung seiner Koalitionspartner die Schließung des staatlichen Rundfunks und Fernsehens angeordnet hatte. Rund 2700 Menschen verlieren ihre Arbeit. Ende August soll es dann eine Behörde mit rund 1200 Beschäftigten geben.
Spannungen in der Koalitionsregierung
Die Schließung führt inzwischen zu Spannungen in der Koalitionsregierung. Die Chefs der beiden kleineren Koalitionspartner, der Sozialist Evangelos Venizelos und der Chef der Demokratischen Linken, Fotis Kouvelis, forderten einen Koalitionsgipfel. Sie werfen Regierungschef Samaras vor, seine Kompetenzen überschritten zu haben.
Entscheidungen solcher Tragweite wie die Schließung des Staatsrundfunks könnten nicht im Alleingang getroffen und in die Tat umgesetzt werden, monierten die beiden kleinen Koalitionspartner.
In griechischen Medien gibt es bereits Spekulationen, dass die Regierungskoalition auseinanderbrechen könnte. Einige Kommentatoren schlossen vorgezogene Wahlen nicht aus. Andere meinten, die beiden kleineren Regierungsparteien könnten sich aus der Koalition zurückziehen und Samaras mit einer Minderheitsregierung allein regieren lassen.
Tausende Demonstranten
Vor dem Zentralgebäude der ERT in der Athener Vorstadt Agia Paraskevi versammelten sich am Donnerstagvormittag tausende Demonstranten, die gegen die Schließung protestierten. "Hände weg vom Staatsrundfunk", skandierten die Demonstranten. Einige forderten den Rücktritt der Regierung. Journalisten haben Fernsehstudios besetzt und senden ein Protestprogramm via Internet.
Der Präsident des Journalistenverbandes, Dimitris Trimis, kündigte an, die Redakteure würden solange weiterstreiken, bis die Regierung ihren Beschluss zurücknehme. Wegen des Streiks sollen auch am Freitag keine Zeitungen erscheinen.
Die meisten Ministerien wurden nach Angaben der Gewerkschaft der Staatsbediensteten bestreikt. In Athen fuhren keine Busse. Auch die Eisenbahner legten die Arbeit für 24 Stunden nieder. Im Flugverkehr wurden am Nachmittag Verspätungen im Inlandsverkehr erwartet, weil Fluglotsen zwischen 14:00 und 16:00 Uhr (MESZ) nicht arbeiten wollten.
dpa/sh - Bild: Louisa Gouliamaki (afp)