Mit der überraschenden Abschaltung des griechischen Staatsrundfunks ERT hat die Regierung in Athen einen Sturm der Entrüstung in dem Land ausgelöst. Am Mittwoch traten die griechischen Journalisten in einen unbefristeten Ausstand. Die Gewerkschaften der Staatsbediensteten und des privaten Bereichs kündigten umfangreiche Streiks für Donnerstag an.
Die Schließung führt auch zu Turbulenzen in der Koalition von Regierungschef Antonis Samaras. Die griechische Presse mutmaßte, hinter der Schließung stecke der Druck der Troika.
Nach Angaben der Gewerkschaft verlieren 2656 Menschen ihre Arbeit. Nach einer Sanierung soll ab Ende August wieder eine landesweite Anstalt senden - mit deutlich weniger Personal. Samaras erklärte am Mittwoch, die Schließung sei eine vorläufige Maßnahme. Jetzt sei die Zeit gekommen, die Probleme nicht mehr unter dem Teppich zu kehren. Die Regierung habe einen "Herd der Verschwendung" abgeschafft.
Keine Nachrichten mehr
Die Medien im Land nahmen sämtliche Nachrichten aus ihrem Programm. Ausnahmen erlaubte der Journalistenverband nur bei der Berichterstattung über die ERT-Schließung. Ansonsten liefen Shows, Filme oder Kochsendungen. Die Journalisten wollen solange streiken, bis die Regierung den Beschluss zur Schließung der ERT zurücknimmt.
Griechenlands Gewerkschaften riefen aus Protest zu einem 24-stündigen landesweiten Streik am Donnerstag auf. Sie riefen zudem ihre Mitglieder auf, an einer Kundgebung um 11.00 Uhr Ortszeit vor dem Hauptgebäude des staatlichen Hörfunk- und Fernsehsenders teilzunehmen. Ministerien und andere staatlichen Stellen sollten geschlossen bleiben. Es wird mit Behinderungen im Flugverkehr gerechnet. Die Fluglotsen wollen am Donnerstag die Arbeit für zwei Stunden zwischen 14.00 Uhr und 16.00 Uhr (MESZ) niederlegen. Es wird mit einigen Verspätungen vor allem im Inlandsverkehr gerechnet.
Eine Nachfolgerin der ERT soll Ende August nach einer Sanierung wieder den Sendebetrieb aufnehmen. Dies erklärte am Mittwoch der griechische Regierungssprecher Simos Kedikoglou in Athen. "Die ERT schließt nicht. Was schließt, ist ein in Schieflage und auf faule Fundamente gebautes Bauwerk", sagte er. Die neue griechische Hörfunk- und Fernsehanstalt solle nur noch etwa 1200 Angestellte haben - statt bislang rund 2600 - und NERIT heißen. Die neue Institution werde unabhängig sein. "In Europa gibt es keine Journalisten als Staatsbedienstete", sagte der Regierungssprecher.
Bald Regierungskrise?
Die Schließung belastet die Koalition von Samaras. Die mitregierenden Sozialisten und die Demokratische Linke erklärten, sie seien mit dieser radikalen Lösung nicht einverstanden. Der Chef der größten Oppositionspartei Bündnis der radikalen Linken (Syriza) Alexis Tsipras sagte, der Begriff "Putsch" sei nicht übertrieben. Die kleine griechische Oppositionspartei der Unabhängigen Griechen (AN.EL) will nach Angaben ihres Vorsitzenden Panos Kammenos ein Misstrauensvotum gegen die Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras beantragen. In Athen kursierten unterdessen Gerüchte, Samaras könne selbst die Vertrauensfrage stellen, falls seine Koalitionspartner darauf beharren sollten, das vorläufige Aus des Staatsrundfunks nicht zu akzeptieren.
Die griechische Presse vermutet hinter der Entscheidung von Samaras Druck der Troika der Geldgeber. Athen musste bis Ende Juni 2000 Staatsbedienstete entlassen. "Hinrichtung (der ERT) wegen der Troika", kommentierte die linksliberale Zeitung "Eleftherotypia". Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte dazu: "Ich glaube, es ist übertrieben, eine direkte Verbindung herzustellen zwischen den Aktivitäten der Troika und der Entscheidung, die die griechische Regierung gestern in voller Unabhängigkeit getroffen hat."
In der Nacht zum Mittwoch war ein staatliches TV-Programm nach dem anderen abgeschaltet worden. Auch die öffentlichen Radiostationen stellten den Sendebetrieb ein. Der Verbund ERT ist eine von Gebühren und Werbung finanzierte Institution, die vom Staat kontrolliert wird. Die Gebühren werden direkt mit der Elektrizitätsrechnung kassiert. Die jeweilige Regierung stellt die Direktion der ERT ein.
Bisherige Angestellte des Staatsfernsehens blieben jedoch am Mittwoch in einem Studio des Zentralgebäudes und sendeten via Internet. Organisationen von Auslandsgriechen und die Kirche kritisierten die Schließung. Die ERT-Sender hatten zwar schwache Einschaltquoten im Inland, aber große Bedeutung für Auslandsgriechen.
dpa - Bild: Louisa Gouliamaki (afp)