Nach der Aufdeckung der Spionageaktivitäten der USA im Internet formiert sich auch in den USA breiter Widerstand gegen die Überwachungsmethoden. Unter dem Motto «Stop Watching Us» (Hört auf, uns zu beobachten) startete eine Gruppe von Firmen und Bürgerrechtsorganisationen eine Kampagne gegen die Überwachung von Internet- und Telefondaten durch den US-Geheimdienst NSA. Kanada gab zu, ähnlich über das Internet zu spionieren.
In Europa gerieten die USA ebenfalls weiter in die Kritik. Verfechter der EU-Datenschutzreform hoffen, dass der Skandal ihren Ruf nach strengeren Datenschutzregeln für alle 27 EU-Staaten bestärkt.
Von dem Amerikaner Edward Snowden, der die massiven Schnüffeleien aufgedeckt und sich nach Hongkong geflüchtet hatte, fehlte am Mittwoch weiter jede Spur. Er hatte am Montag ein Hotel in der chinesischen Sonderverwaltungsregion verlassen. Der Reporter Glenn Greenwald von der britischen Zeitung «Guardian», die wie die «Washington Post» den Skandal enthüllt hatte, kündigte weitere Berichte über den geheimen US-Abhördienst NSA an. «Wir arbeiten an Geschichten», sagte Greenwald dem Nachrichtensender CNN.
Auch in China wächst Kritik. Der Künstler Ai Weiwei zeigte sich «geschockt». «Ich habe zwölf Jahre in den USA gelebt. Dieser Missbrauch staatlicher Macht läuft meinem Verständnis von einer zivilisierten Gesellschaft entgegen», schrieb der Regimekritiker im «Guardian». Die Amerikaner dürften das nicht zulassen. «Privatsphäre ist ein grundlegendes Menschenrecht.» In der Sowjetunion, heute in China und selbst in den USA glaubten Offizielle immer, sie handelten im Interesse des Staates und der Menschen. Die Geschichte lehre aber, dass staatliche Gewalt begrenzt werden müsse.
Snowden wurde derweil von seinem Arbeitgeber entlassen. Die Beratungsfirma Booz Allen Hamilton kündigte ihm «wegen der Verletzung des Ethikkodexes und der Richtlinien». Snowden hatte angegeben, er sei als Mitarbeiter der Firma bei der NSA auf Hawaii im Einsatz gewesen. Booz Allen Hamilton zufolge arbeitete Snowden weniger als drei Monate für das Unternehmen. Die US-Behörden arbeiten laut Medienberichten an einer Anklage gegen Snowden.
Die Zeitungen «Guardian» und «Washington Post» hatten unter Bezug auf Snowdens Informationen berichtet, der US-Geheimdienst NSA sammele und analysiere massenhaft Nutzer-Daten von Unternehmen wie Google, Yahoo, Microsoft, Apple oder Facebook. Die NSA habe über das Programm «PRISM» Zugriff auf Fotos, Nachrichten und Dateien. Die Unternehmen bestreiten einen direkten Zugang der Behörden auf ihre Server.
Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union reichte eine Klage gegen die Sammlung von Telefon-Verbindungsdaten ein. Der Internetkonzern Google unternahm einen Vorstoß für mehr Transparenz. Der Suchmaschinen-Gigant will alle Anfragen der US-Regierung nach Nutzerdaten öffentlich machen, um den Verdacht aus dem Weg zu räumen, den Geheimdiensten uneingeschränkt Zugang zu seinen Systemen gewährt zu haben.
Der Firefox-Entwickler Mozilla startete mit Rückendeckung von Bürgerrechtsaktivisten und anderen Firmen die Kampagne «Stop Watching Us». Mozilla und seine Verbündeten sammeln im Internet Unterschriften für einen offenen Brief an den US-Kongress. «Diese Art der pauschalen Datensammelei kratzt an den amerikanischen Grundwerten von Freiheit und Privatsphäre», heißt es darin. Dadurch würden Eckpfeiler der Verfassung verletzt. «Wir rufen den Kongress auf, sofort zu handeln, um diese Überwachung zu stoppen.» Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
Kongressmitglieder wurden am Dienstag in Washington hinter verschlossenen Türen über die geheimen Anti-Terror-Aktionen der NSA informiert. Einzelne Politiker äußerten ihre Sorge über ausufernde Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger, während die meisten die Maßnahmen aber unterstützten. Kanadas Verteidigungsminister Peter MacKay bestätigte, dass sein Land ebenfalls ein Abhör- und Spähprogramm betreibe. Er habe den Geheimdienst CSE autorisiert, die Telekommunikation weltweit auszuspähen und digitale Spuren von Telefon- und Internetverbindungen zu sammeln. «Das ist etwas, was seit Jahren passiert.»
dpa/sh