Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der den amerikanischen Spionage-Skandal aufgedeckt und sich nach Hongkong geflüchtet hat, ist in der chinesischen Sonderverwaltungsregion vorerst sicher. Wie Rechtsexperten erläuterten, ist der 29-Jährige durch das Justizsystem in Hongkong vor einer schnellen Auslieferung an die USA geschützt. Das Verfahren könnte Monate dauern. Noch liegt aber kein Antrag vor.
Wo Snowden sich aufhält, war am Dienstag unbekannt. Ein Gast namens Edward Snowden wohnte vorübergehend im Mira Hotel im Stadtviertel Tsim Sha Tsui, sei aber am Montag ausgezogen, wie Mitarbeiter berichteten. Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter hatte sich vor drei Wochen von Hawaii nach Hongkong geflüchtet.
Das autonom regierte Hongkong hat - anders als China - zwar ein Auslieferungsabkommen mit den USA, doch könnte sich Snowden unter Hinweis auf politische Verfolgung dagegen wehren und zudem drei Berufungsinstanzen durchlaufen. Eine Auslieferung könnte am Ende auch durch die chinesische Regierung verhindert werden, falls Peking seine nationalen Interessen beeinträchtigt sehen sollte. Snowden könnte in Hongkong auch politisches Asyl beantragen, was ihm ebenfalls viel Zeit schenken würde, auch wenn sein Ersuchen am Ende abgelehnt würde, erläuterten Menschenrechtsexperten.
Snowden hatte die Hafenmetropole nach eigenen Angaben wegen des Engagements der sieben Millionen Hongkonger für freie Meinungsäußerung und das Recht auf abweichende Meinungen als Zufluchtsort gewählt. Der langjährige China-Beobachter Johnny Lau Yui-Siu hält es für unwahrscheinlich, dass der junge Amerikaner auf Anweisung Pekings ausgeliefert werden könnte. Die chinesisch-amerikanischen Beziehungen seien nicht gut genug, als dass Peking die Hongkonger, die sich Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zu Herzen nehmen, wieder provozieren würde, sagte Lau der Zeitung «South China Morning Post».
Snowden hatte sich am Sonntag in einem Interview mit der britischen Zeitung «The Guardian» selbst enttarnt. Er zeichnete eine Dimension der Datensammlung durch den US-Geheimdienst, die bisherige Vorstellungen sprengt. Die NSA habe eine Infrastruktur aufgebaut, die ihr erlaube, fast alles abzufangen. Damit werde der Großteil der menschlichen Kommunikation automatisch aufgesaugt. Er wolle mit dem Geheimnisverrat die ausufernde Überwachung öffentlich machen, sagte Snowden. Er suche nun Asyl in jedem Land, das an Redefreiheit glaube und dagegen eintrete, die weltweite Privatsphäre zu opfern, erklärte er der «Washington Post».
Snowden war nach eigenen Angaben die vergangenen vier Jahre als Mitarbeiter externer Unternehmen bei der NSA tätig. Laut den von ihm enthüllten Dokumenten sammelt der US-Geheimdienst in großem Stil Daten bei Internet-Diensten wie Google, Facebook, Microsoft, Apple und Yahoo. Das Programm trägt demnach den Codenamen «PRISM».
Der US-Senator und frühere republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain betonte im deutschen Fernsehsender Phoenix die Vorteile der geheimen Online-Überwachung. Jedoch halte er die mangelnde Transparenz für einen großen Fehler. Er glaube, dieses Programm sei praktikabel und nützlich, aber das amerikanische Volk und unsere Partner sollten besser informiert werden, sagte McCain.
Wikileaks-Gründer Julian Assange hat dem Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden geraten, nach dessen Enthüllungen im US-Abhörskandal Asyl in Lateinamerika zu beantragen. Lateinamerika habe gezeigt, dass es bei den Menschenrechten vorankomme und eine lange Asyl-Tradition habe, sagte Assange, der selbst in der ecuadorianischen Vertretung in London Asyl erhalten hat, in einem Interview des US-Senders CNN.
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