Die Hochwasserlage in Magdeburg ist nach Einschätzung der Behörden so kritisch wie noch nie. Über eine Länge von 20 Kilometern seien mehrere Deiche zu verteidigen, teilten Ministerpräsident Reiner Haseloff, Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) und Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) mit. Über eine Länge von 20 Kilometern seien mehrere Deiche zu verteidigen. "Die nächsten Tage werden extrem und schwierig", sagte Trümper. Er gehe davon aus, dass nicht alle Bereiche geschützt werden könnten.
Am Samstag um 13:00 Uhr stand der Pegel der Elbe bereits bei 7,37 Metern, 7,40 Meter werden als Höchststand erwartet, normal sind 2,00 Meter.
"Die Kräfte müssen immer am richtigen Ort eingesetzt werden, das bedeutet, dass nicht alle Standorte gehalten werden können", sagte auch Innenminister Stahlknecht. Drei Stellen gelten in Magdeburg als besonders gefährdet. Am kritischsten ist der Abschnitt bei Pechau im Osten der Stadt, wo der Deich zu brechen drohte. "Wenn das passiert, läuft der ostelbische Teil voll wie eine Badewanne", befürchtete Trümper. "Wenn das Wasser kommt, kommt es langsam", betonte er. "Wir spielen nicht mit dem Leben von Menschen."
In Magdeburg-Werder, einer Insel in der Elbe, wurde bereits ein Altenpflegeheim evakuiert. Gefahr besteht auch im Stadtteil Rothensee, in dem ein großer Binnenhafen und viel Industrie angesiedelt sind. Erst vor wenigen Jahren seien im Hafenbereich die Schutzmauern auf 7 Meter erhöht worden. "Wir hätten nicht gedacht, dass wir die Deiche gegen 7,40 Meter verteidigen müssen", sagte Trümper. Ministerpräsident Haseloff lobte die Bürger: "Sie bleiben ruhig und zeigen viel Verantwortungsbewusstsein."
Die Bundeswehr hat mittlerweile rund 7000 Kräfte in Sachsen-Anhalt oder auf dem Weg dorthin, 1700 davon in Magdeburg. Einsatzleiter Holger Platz lobte die freiwilligen Helfer: "Das Engagement der Freiwilligen ist beeindruckend. Sie entlasten Bundeswehr, THW und Feuerwehren enorm", sagte er.
Bei Bitterfeld dagegen entspannte sich die Lage. Die Bundeswehr wollte am Vormittag ein Leck zwischen dem Goitzschesee und dem Seelhausener See schließen. Dazu sollen aus Hubschraubern der Bundeswehr große Sandsäcke abgeworfen werden. Die Differenz der Pegelstände zwischen den beiden Seen sank um mehr als einen halben Meter in den vergangenen 24 Stunden auf nun 5,95 Meter. In den vergangenen Tagen war befürchtet worden, dass ein größeres Leck zwischen den beiden Seen eine Flutwelle vom höher gelegenen Seelhausener See in die Goitzschesee auslösen könnte. Dann würde auch Bitterfeld überflutet. Diese Gefahr war auch noch nicht abgewendet.
In Halle an der Saale war der Pegelstand des Flusses in den vergangenen 24 Stunden um rund einen halben Meter gesunken. Trotzdem blieb die Lage auch dort angespannt. Mehrere Dämme standen weiter unter enormem Druck durch das Wasser.
Lage an der Elbe in Sachsen weiter angespannt
Das nur langsam abfließende Hochwasser sorgt weiter für Probleme an der Elbe in Sachsen. Zwar fiel am Samstagmorgen auch im nordsächsischen Torgau der Wasserstand auf 9,10 Meter. Die Situation im Elbtal blieb aber ernst, auch wenn der Scheitelpunkt durchgezogen war. Nahe Großtreben-Zwethau in Nordsachsen zum Beispiel strömte Wasser durch eine defekte Klappe in einem Deich. Rund 500 Menschen wurden dort aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen.
Vor allem der Ort Neubleesern war betroffen. "Dort haben wir die Aufforderung erneuert, die Häuser zu verlassen", sagte ein Sprecher am Samstagmorgen. Der Ort sei nun evakuiert. Hubschrauber der Bundeswehr würden versuchen, das Loch mit großen Sandsäcken wieder abzudichten. "Umso länger Wasser durchrauscht, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Deich in Mitleidenschaft gezogen wird", sagte der Sprecher.
Der Scheitel der Elbe habe Sachsen mittlerweile verlassen, bestätigte eine Sprecherin des Landeshochwasserzentrums. An den Pegeln der Elbe gelte aber weiter höchste Alarmstufe 4. Allerdings sei zu beobachten, dass an der tschechischen Grenze ein etwas schnellerer Rückgang gemeldet werde als prognostiziert.
In Sachsen sind immer noch Orte überschwemmt und Verkehrslinien gekappt. Rund 12.000 Menschen harrten dort nach Angaben vom Freitag noch in Notquartieren, bei Verwandten und Freunden aus.
Derweil normalisierte sich die Lage in einigen Regionen etwas. In Dresden konnten 2100 Haushalte wieder an das Stromnetz angeschlossen werden, wie die Stadt am Samstag mitteilte. 4900 seien aber weiterhin ohne Strom.
Die Feuerwehr warnte davor, das eingedrungene Grundwasser ohne Expertenrat aus Kellern zu pumpen. Die Statik könnte "extrem gefährdet" sein. In Sachsen steigt der Grundwasserspiegel vielerorts weiterhin an.
Lage in Mühlberg angespannt - Pegelstand sinkt nur langsam
Die Hochwasserlage im brandenburgischen Mühlberg ist weiter sehr angespannt. Zwar sank der Pegelstand der Elbe seit Freitag auf inzwischen 9,77 Meter, dennoch blieb der Druck auf die Schutzanlagen enorm. Ein Sprecher des Koordinierungszentrums Krisenmanagement des brandenburgischen Innenministeriums in Potsdam sprach davon, dass den Einsatzkräften an den Deichen ein tagelanger Kampf gegen das Hochwasser bevorstehe. Hunderte Helfer seien in der Nacht wieder im Einsatz gewesen.
Unter ihnen waren auch Deichläufer, die Gefahrenstellen an den Deichen aufspürten. Nach der Evakuierung von Mühlberg im Kreis Elbe-Elster sei an eine Rückkehr der 4500 betroffenen Bürger derzeit nicht zu denken.
Die Lage an Spree und Schwarzer Elster entspannte sich dagegen allmählich. So gingen die Pegelstände in Spremberg (Spree), Bad Liebenwerda und Herzberg (beide Schwarze Elster) langsam zurück.
Deggendorf: Evakuierungen zum Teil aufgehoben
Im vom Hochwasser schwer betroffenen bayerischen Landkreis Deggendorf dürfen an diesem Samstag seit 10:00 Uhr die Menschen in ihre Häuser in den evakuierten Bereichen zurückkehren.
Ausgenommen sind die noch immer überfluteten Deggendorfer Stadtteile Fischerdorf und Natternberg sowie der Ort Niederaltaich, wie ein Sprecher des Landratsamtes mitteilte. Aus diesen Gebieten werde das Hochwasser jedoch nur zum Teil auf natürlichem Wege abfließen, sagte der Sprecher. Es werde gerade nach Lösungen gesucht, wie die restlichen Wassermassen entfernt werden könnten.
Lage in Österreich und Ungarn
Donauabwärts in Österreich ist das Hochwasser fast weg, jetzt kommt der Schlamm: Feuerwehr, Soldaten und freiwillige Helfer schaufelten Tonnen Schlamm aus eben noch überfluteten Ortschaften. Wenn die Erde antrockne, sei sie kaum noch zu beseitigen, warnten die Behörden. Die Schäden werden inzwischen mit der Jahrhundertflut 2002 verglichen: Sie sollen auch hier in die Milliarden gehen.
Das Rekordhochwasser nähert sich nun der ungarischen Hauptstadt Budapest. Die Scheitelwelle wird dort am Montagfrüh erwartet. Seit Tagen sind Tausende Soldaten und freiwillige Helfer im Einsatz, um Dämme und Uferanlagen mit Sandsäcken zu verstärken und mobile Schutzdämme zu errichten.
dpa/mh/rkr - Bild: Jens Wolf (afp)