Ungeachtet der schweren Proteste hält der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan an einem heftig umstrittenen Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park fest. Zugleich beschuldigte er Donnerstag bei einem Besuch in Tunis erneut Linksextremisten, hinter den Protesten zu stecken.
Die türkische Polizei hat bei Einsätzen gegen Demonstranten in Istanbul auch elf Ausländer festgenommen. Ihnen werde vorgeworfen, sich als Provokateure unter die Protestierer gemischt zu haben, berichteten mehrere türkische Zeitungen am Donnerstag.
Die Zahl der Toten bei den Protesten erhöhte sich auf vier, nachdem ein Polizist in Adana bei einem Einsatz gegen Demonstranten von einer Brücke in den Tod gestürzt war.
Nachbau einer osmanischen Kaserne
Die Protestwelle hatte sich an der brutalen Räumung eines Protestlagers im Gezi-Park entzündet. Inzwischen richten sich die Demonstrationen vor allem gegen den als immer autoritärer empfundenen Kurs Erdogans und seiner islamisch-konservativen AKP. Im Gezi-Park ist der Nachbau einer osmanischen Kaserne geplant, in der es Geschäfte und Wohnungen geben soll. "War dort früher eine osmanische Kaserne der Artillerie oder nicht? Ja, und es war ein historisches Gebäude", sagte Erdogan in Tunis. "Warum gibt es Widerstand gegen das Projekt? Weil es von der AKP kommt."
In Istanbul hatten in der Nacht rund um den zentralen Taksim-Platz erneut Zehntausende gegen Erdogan protestiert. Über die Festnahme von Ausländern gab es unterschiedliche Berichte. Die Zeitung "Radikal" meldete, unter insgesamt elf in Istanbul Festgenommenen seien Studenten des Erasmus-Programms der Europäischen Union. Die Zeitung "Zaman" meldete, die Ausländer stammten aus den USA, Großbritannien, Frankreich und Griechenland. Bei ihnen seien Gaskartuschen und Feuerwerkskörper gefunden worden. Einige hätten Diplomatenpässe.
Die islamistische Zeitung "Yeni Akit" präsentierte ihren Lesern den Fall auf der ersten Seite als Beleg für einen versuchten Anschlag und die Einmischung des Auslands. Insgesamt sollen in den vergangenen Tagen 15 Ausländer festgenommen worden sein.
Nobelpreisträger Pamuk: Zeichen der Hoffnung
Der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk sieht in den Demonstrationen in seinem Land ein Zeichen der Hoffnung. In der "Süddeutschen Zeitung" schreibt Pamuk, es erfülle ihn mit Vertrauen, wenn die Menschen ihr Recht in Anspruch nähmen, politische Kundgebungen auf dem Taksim-Platz abzuhalten. Der Regierung von Ministerpräsident Erdogan wirft er vor, rücksichtslos zu agieren. Die derzeitige Haltung spiegele eine Neigung zur autoritären Herrschaft wider.
dpa/mh - Bild: Fethi Belaid (afp)