Bei heftigen Demonstrationen gegen die islamisch-konservative Regierung sind in der Türkei fast 1000 Menschen festgenommen worden. Der türkische Innenminister Muammer Güler erklärte, es seien 939 Menschen bei über 90 Demonstrationen in 48 Provinzen in Haft genommen worden, wie türkische Medien in der Nacht zum Sonntag berichteten.
Unterdessen harrten am Sonntag weiter einige hundert Demonstranten auf dem zentralen Taskim-Platz in Istanbul aus. In der Nacht hatte es weitere Zusammenstöße gegeben.
In anderen europäischen Städten haben am Samstag tausende Menschen ihre Solidarität mit der türkischen Opposition bekundet, unter anderem in Berlin, Köln und Hamburg. In Brüssel gingen 400 Menschen auf die Straße, um gegen die Gewalt in der Türkei zu protestieren.
Gespräch am Sonntag
Ein Berater von Ministerpräsident Recep Tayyip Edogan ließ laut "Hürriyet" wissen, dass der Bürgermeister von Istanbul am Sonntag mit Vertretern der Taksim-Gezi-Park-Plattform und der Architektenkammer zu Gesprächen zusammenkommen will. Sie wollen eine gemeinsame Lösung für den Streit um die Überbauung des Gezi-Parks sondieren. Die Protestwelle hatte sich an der gewaltsamen Räumung eines Protestlagers entzündet, mit dem die Zerstörung des Gezi-Parks am Rande des Taksim-Platzes verhindert werden sollte.
Nach dem Rückzug der Polizei vom Taksim-Platz in Istanbul habe es am Abend Zusammenstöße mit Demonstranten im Stadtteil Besiktas gegeben, berichteten Aktivisten im Internet. Die Polizei feuerte Tränengasgranaten ab. Auch türkische Medien berichteten über den Polizeieinsatz. Demonstranten hätten einen Polizeiwagen angezündet. Am Sonntag begann die Stadtreinigung rund um dem Taksim-Platz damit, Trümmer und Barrikaden wegzuräumen. Die Polizei hielt weiter Abstand.
Nach zwei Tagen heftiger Proteste gegen seine autoritäre Politik lenkte Erdogan punktuell ein. Zehntausende Gegner der islamisch-konservativen Regierung verschafften sich nach heftigen Protesten am Samstag Zugang zum Taksim-Platz, während sich die Polizei zurückzog. Das Innenministerium kündigte laut türkischen Medien an, Verantwortliche für unverhältnismäßige Gewalt gegen Demonstranten zu bestrafen.
Zuvor hatte es neue schwere Zusammenstöße gegeben, bei denen die Polizei Wasserwerfer und Tränengas einsetzte. Erdogan räumte am Samstag Fehler ein. Zugleich sagte er, seine Regierung werde sich durch Straßenproteste nicht von ihrem Kurs abbringen lassen.
dpa/belga/est - Bild: Bulent Kilic (afp)