Zahlreiche Anträge und heftige Wortwechsel haben den NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München am Mittwoch erneut verzögert. In dem Verfahren um die Verbrechen der Neonazi-Terrorzelle forderte die Verteidigung des Angeklagten Ralf Wohlleben wegen einer angeblichen "medialen Vorverurteilung" die Einstellung des Prozesses gegen ihren Mandanten.
Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sei von den Medien als "Nazi-Braut", der Mitangeklagte Wohlleben als "Terrorhelfer" bezeichnet worden. Wohlleben, ein früherer Funktionär der rechtsextremen NPD, soll unter anderem die Pistole besorgt haben, mit der Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) neun türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer erschossen haben sollen. Er ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.
Ein faires Verfahren sei nicht mehr möglich, sagte Anwältin Nicole Schneiders. Die als Szene-Anwältin geltende Verteidigerin warf Medien Stimmungsmache gegen ihren Mandanten vor und kritisierte, auch staatliche Stellen betrachteten die NSU-Mordserie als Tatsache. Als Beispiele nannte sie Trauer- und Gedenkfeiern für Opfer von Neonazi-Terror und die Benennung von Straßen nach Opfern, ohne darauf hinzuweisen, dass die Schuld des NSU nicht nachgewiesen sei. Auch Entschädigungszahlungen an die Opfer sind für das Ex-NPD-Mitglied Schneiders eine Art Vorverurteilung.
"Das ist einfach nur Stimmungsmache und nicht mehr", entgegnete Opfer-Anwalt Thomas Bliwier und sprach von "heißer Luft". Schneiders habe mit keinem Wort dargelegt, warum das Gericht von der Berichterstattung beeinflusst sei. Bliwier forderte sie auf, die Hauptverhandlung nicht für "Presseerklärungen und allgemeine Statements" zu missbrauchen. Das habe in einem Gerichtssaal nichts zu suchen. Bliwier sieht in den Anträgen auch eine Verzögerungstaktik.
Die Stimmung im Gerichtssaal war erneut spannungsgeladen. Vor allem Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer lieferte sich zähe Wortgefechte mit dem Vorsitzenden Manfred Götzl. Er beklagte beispielsweise, dass er nicht zuerst das Wort erteilt bekommen habe - und dass Prozessbeteiligte lachten, wenn er sprach. "Lachen ist ein Reflex", entgegnete die Bundesanwaltschaft.
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