Türkische Linksextremisten mit Kontakten zum syrischen Regime sollen den Doppelanschlag in der türkischen Grenzstadt Reyhanli verübt haben. Bei den neun am Sonntag festgenommenen Beschuldigten handele es sich um Mitglieder der "Revolutionären Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C) sowie einer Splittergruppe der "Türkischen Volksbefreiungspartei-Front" (THKP-C), berichteten türkische Medien am Montag. Hinter der Tat stecke das syrische Regime, sagte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. "Das ist gewiss." Sein Land werde darauf zu gegebener Zeit reagieren.
Zuvor hatte Erdogan gewarnt, es gebe Versuche, die Türkei mit Provokationen in den Bürgerkrieg in Syrien zu verwickeln. "In diese Falle werden wir nicht treten", sagte er nun. Nachdem bei Bergungsarbeiten in Reyhanli weitere Leichen gefunden wurden, stieg die Zahl der Todesopfer auf mindestens 49 Menschen.
Ein syrischer Oppositioneller sagte der Nachrichtenagentur dpa am Montag: "Wir hatten eine Woche vor den Anschlägen über einen Informanten, der Syrien inzwischen verlassen hat, erfahren, dass diese linksextreme Gruppe mit Beziehungen zum Regime Anschläge in der Türkei und in Katar plant." Die katarische Regierung habe die Warnungen damals nicht ernst genommen, und erst nach den Explosionen in Reyhanli Interesse an den Informationen bekundet. Nach Angaben des Informanten liegt auch die Stadt Antakya im Visier der Extremisten.
Ein syrischer Parlamentarier behauptete dagegen, die Sprengsätze seien von Terroristen für Anschläge in Syrien vorbereitet worden und nur versehentlich in der Türkei explodiert. Sherif Schehata, der als Sprachrohr des Regimes von Präsident Baschar al-Assad gilt, sagte dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira: "Die Grenzen zwischen Syrien und der Türkei sind immer noch offen für diese Terroristen, die von Erdogans Seite kommen und nicht etwa von der "Schabiha"-Miliz oder von den Regierungstruppen." Das Einzige, was die türkische Regierung tun müsse, um den Terror zu stoppen, sei, den Strom von Waffen und arabischen Extremisten über die Türkei nach Syrien zu stoppen.
Die Attentäter hatten am Samstag zwei Autobomben in der wenige Kilometer von der syrischen Grenze entfernt liegenden Stadt gezündet. Etwa 140 Menschen wurden verletzt. Der Sprengstoff soll nach türkischen Berichten aus Syrien stammen. Damaskus wies die Vorwürfe einer Beteiligung an der Tat zurück.
Die Anschläge wurden international verurteilt. Alle neun Festgenommenen seien türkische Staatsbürger, hatte Vizeregierungschef Besir Atalay am Sonntag erklärt. Nach seinen Angaben haben die Beschuldigten die Tat teilweise gestanden. Innenminister Muammer Güler sagte, unter den Festgenommenen sei auch ein Kopf der Gruppe. Nach weiteren Verdächtigen werde gesucht.
Ein Selbstmordattentäter aus den Reihen der DHKP-C hatte im Februar einen Anschlag auf die US-Botschaft in Ankara verübt. Dabei hatte er einen türkischen Wachmann mit in den Tod gerissen. Ziel der DHKP-C ist es, das Regierungssystem der Türkei durch einen revolutionären Umsturz zu beseitigen. Errichtet werden soll ein kommunistisches System mit marxistisch-leninistischer Prägung. Die Organisation hat in der Türkei zahlreiche Brand- und Sprengstoffanschläge verübt und Menschen getötet.
dpa/jp/sd - Bild: stringer/afp