Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Bulgarien zeichnet sich eine rege Wahlbeteiligung ab. Bis zum Mittag hatten 33 Prozent der knapp sieben Millionen Wähler in dem ärmsten EU-Land ihre Stimme abgegeben, wie das staatliche Meinungsforschungsinstitut NZIOM mitteilte. Damit lag die Wahlbeteiligung etwas höher als zum gleichen Zeitpunkt der Wahlen vor vier Jahren.
Die Parlamentswahl wurde von Manipulationsvorwürfen überschattet. Am Samstag waren in einer Druckerei 350.000 illegal hergestellte Stimmzettel sichergestellt worden.
Nach der Stimmabgabe forderte Staatspräsident Rossen Plewneliew die Behörden auf, die Ermittlungen der Fälschungsvorwürfe abzuschließen. "Egal ob es Szenarien gibt oder nicht (.), haben diese keine Chance, wenn das Volk herauskommt und wählt", meinte Plewneliew. Auch Interimsregierungschef Marin Rajkow sowie Bürgerorganisationen riefen die Bulgaren zur Stimmabgabe auf.
Die vorgezogene Wahl war notwendig geworden, nachdem die bürgerliche Regierung unter Boiko Borissow (GERB) im Februar angesichts von Straßenprotesten gegen die Armut in dem EU-Land zurückgetreten war. Meinungsumfragen räumten der bürgerlichen ehemaligen Regierungspartei GERB wieder beste Chancen auf einen Wahlsieg ein.
Die Sozialisten dürften demnach zweitstärkste Kraft werden. Auch mehrere kleinere Parteien dürften die Vier-Prozent-Hürde zum Einzug ins Parlament schaffen wie etwa die Bewegung der türkischen Minderheit DPS und die nationalistische Ataka. Das Parlament hat 240 Sitze.
Bulgarien - Armut und Korruption neben Urlaubsstränden
Der Schwarzmeer-Anrainer Bulgarien gilt als ärmstes Mitgliedsland der Europäischen Union. Der Balkanstaat ist 111.000 Quadratkilometer groß. Von den gut 7 Millionen Einwohnern lebt etwa jeder Fünfte in Armut. Während in der Hauptstadt Sofia weitere moderne Einkaufszentren eröffnet werden, sind auf dem Land viele Menschen auf die Erträge ihrer Gärten und Ställe angewiesen.
Die Industrieproduktion lag 2012 zum Teil unter dem Niveau des Vorjahres. Bulgariens Exporte (vor allem Textilien) leiden unter der Eurokrise. Das Land ist mit einem Bruttomindestlohn von umgerechnet 159 Euro im Monat ein Billiglohnland. Das für 2013 erwartete Wirtschaftswachstum wurde auf 0,9 Prozent nach unten korrigiert.
Es wird kein spürbarer Rückgang der Arbeitslosenquote von derzeit 12,6 Prozent erwartet. Knapp zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten im Dienstleistungssektor, viele von ihnen im Tourismus. Im Jahr 2011 besuchten laut Tourismusministerium rund 8,7 Millionen Urlauber das Land.
Seit Bulgariens EU-Beitritt 2007 fasst die Europäische Kommission halbjährlich ihre Beobachtungen zur Entwicklung des Landes in sogenannten Fortschrittsberichten zusammen. Bei der Justizreform, der Korruptionsbekämpfung und der Bekämpfung der organisierten Kriminalität sehen Beobachter weiterhin gravierende Mängel.
dpa/okr - Bild: Dimitar Dilkoff (afp)