Neue Details aus den Ermittlungen zum Bombenanschlag auf den Boston-Marathon werfen nach US-Medienberichten kein gutes Licht auf die amerikanischen Geheimdienste. Nicht nur die US-Bundespolizei FBI soll den getöteten mutmaßlichen Attentäter Tamerlan Zarnajew (26) bereits lange vor dem Anschlag im Visier gehabt haben, sondern auch der US-Geheimdienst CIA, berichtete die "New York Times" in ihrer Online-Ausgabe am Mittwoch (Ortszeit).
Demnach hatte die CIA nach einer Anfrage russischer Behörden bereits 2011 ein Auge auf Zarnajew geworfen. Russland hätte befürchtet, dass es sich bei Zarnajew um einen zunehmend radikalisierten Islamisten handle. Doch wie bereits das FBI sei auch die CIA zum Schluss gekommen, dass er keine Verbindungen zu terroristischen Gruppen habe.
Dennoch sei Zarnajews Name auf zwei US-Terrorlisten gekommen, die dazu dienten, die Regierung bei Auslandsreisen zu alarmieren, hieß es. Wie sich mittlerweile zeige, hätten russische und amerikanische Geheimdienste mindestens viermal Kontakt wegen Zarnajew aufgenommen, bevor dieser für sechs Monate nach Russland gereist sei. Nach seiner Rückkehr in die USA sei aber nicht weiter ermittelt worden.
Zarnajew in die Datenbank TIDE eingefügt
Als eine Art Vorsichtsmaßnahme hatte die CIA Zarnajew in die Datenbank TIDE einfügen lassen, aus der andere Terrorlisten der Regierung gespeist werden. Auch andere Behörden wie das FBI seien informiert worden. Demnach hat der Eintrag aber verschiedene Schreibweisen von Zarnajews Namen sowie unterschiedliche Geburtsdaten beinhaltet. Das System schlug jedoch nicht Alarm, als Zarnajew im Januar 2012 nach Dagestan und Tschetschenien reiste. Grund war laut Zeitungsbericht die fehlerhafte Schreibweise seines Namens und die falschen Geburtsdaten, die von den Russen vorgegeben und von den Amerikanern entsprechend verwendet worden waren.
Das FBI hatte Zarnajews Namen auf eine zweite Terrorliste namens TECS gesetzt, die den Zoll automatisch über Ausreisen aus den USA informieren soll. Seine Flugreservierung habe bei der Ausreise einen Alarm ausgelöst, hieß es. Auf Bitten des FBI nach mehr Informationen über Zarnajew hätten russische Behörden nicht mit neuen Details reagiert. Wenig später aber hätten die Russen ihre Anfrage an die CIA übermittelt.
Eltern wollen in die USA reisen
Die Eltern der mutmaßlichen Boston-Attentäter wollen an diesem Donnerstag zur Unterstützung der Ermittlungen von Russland in die USA reisen. Das sagte der Vater Ansor Zarnajew der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Die Reise sei bei Gesprächen der Eltern mit US-Diplomaten am Mittwoch in Machatschkala, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Dagestan, vereinbart worden, hieß es. "Die Eltern haben sich damit einverstanden erklärt, sie werden in die US-Ermittlungen einbezogen", zitierte die Agentur einen namentlich nicht genannten Polizeivertreter.
Ansor Zarnajew bestätigte das Treffen in Machatschkala. Zuvor habe er bereits telefonisch Kontakt zu den US-Diplomaten gehabt, sagte er Ria Nowosti. Seine Frau Subeidat Zarnajewa war den Berichten zufolge am Dienstagabend in Dagestan eingetroffen.
Die Söhne Tamerlan und Dschochar Zarnajew sollen für den Bombenanschlag während des Boston-Marathons am Montag vergangener Woche verantwortlich sein, bei dem drei Menschen getötet und mehr als 200 verletzt wurden. Während der 26 Jahre alte Tamerlan Zarnajew später bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei getötet wurde, überlebte sein sieben Jahre jüngerer Bruder einen Schusswechsel schwer verletzt. Er muss sich nun wegen des Gebrauchs von Massenvernichtungswaffen vor einem Zivilgericht verantworten. Ihm droht die Todesstrafe.
dpa/sh - Archivbild: Bashir Aliev (afp)