Das hätten beide Seiten nicht gedacht: die Belgier nicht und die Luxemburger nicht. Zu Belgien gehörte es irgendwie dazu, wie Muscheln mit Fritten oder Krevetten mit Tomate, wie besondere Biere oder Tim und Struppi: Der leichte Schauder vieler Mitbürger auf der Nationalstraße 4 Richtung Luxemburg, um dort Zinserträge abzuholen. Und zu Luxemburg gehörte die an Selbstgefälligkeit grenzende Gewissheit, es sei doch nicht verwerflich, den Bürgern des Nachbarlandes beim Steuernsparen zu helfen und selbst daran gut zu verdienen.
Was reiche Russen und ein aufgeblähter Bankensektor in Zypern doch nicht alles erreichen können: Das muss ein Schock gewesen sein, im Ländchen, plötzlich in einem Atemzug mit Zypern genannt zu werden. Zuerst hat man es weggelacht. Als sich die gefährliche gedankliche Verbindung beider Länder in Wort und Schrift häuften, handelte Jean-Claude Juncker schnell. Sehr schnell: Mit Hinweis auf die bösen Amerikaner erklärte er in schönstem Luxemburgisch vor dem Parlament, 2015 gelte für die luxemburgischen Banken der automatische Informationsaustausch in Steuersachen. Und für das heimische Publikum fügte er hinzu, das geschehe nicht auf preußischen Druck. Was sich erstens im Luxemburgischen netter anhört als auf Hochdeutsch, und zweitens verwies er auf die Internauten, also die Netzuser.
Und drittens wird damit noch einmal überdeutlich, wer in der Welt die Musik macht. Für den Bankplatz Luxemburg ist das Risiko übrigens beschränkt: Der Austausch gilt nur für "natürliche Personen", und auch dabei auch nicht für alle Produkte. Doch auf etwa Firmen oder Stiftungen erstreckt sich die europäische Richtlinie nicht, das war unter dem Eurogruppenchef Juncker nicht gelungen, ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Was Juncker seine Pille auch versüßen mag, ist die Tatsache, dass so mancher sein Geld lieber auf mehrere Banken in mehreren Ländern aufteilt, sicher in diesen Zeiten - aber auch aus Diskretionsgründen, nicht unwichtig bei einer Ehescheidung, wie die Wirtschaftszeitung "De Tijd" ganz ernsthaft hervorhob.
Was Juncker selbst angeht, muss das Prozedere nicht verwundern: Er selbst sagte, er habe es doch 2012 angekündigt! Und von Juncker kennt man ja den Satz: "Einfach ankündigen, und wenn keiner schreit, durchmarschieren." So hat er es ja mit allem gemacht, und sicher mit der Einführung des Euro. Dem Wagnis Euro verdankt Juncker den Schlamassel mit der Informationspflicht, hat die Euro-Krise doch den Druck dafür erst geschaffen bzw. erhöht.
Vom Euro wollte Frau Thatcher nie etwas wissen, Währung war für sie Souveränität, doch auch ihr verdankt Juncker, dass Luxemburg plötzlich nachgeben und einknicken muss: war es doch Frau Thatcher, die mit ihrem "Big Bang" 1986 das britische Bankenwesen deregulierte: Das machte die City zu einem erfolgreichen Finanzplatz, diesen aber auch zum Mitverursacher des Kasino-Kapitalismus.
So war es nicht zuletzt Frau Thatcher, die diesen weltweit möglich gemacht hatte; der Euro tat das seine hinzu im Euro-Raum, die Geschichte des Aufstiegs und des Falls der Dexia-Bank ist ein beredtes Beispiel. So wie Juncker hatte auch die Eiserne Lady mit dem "Durchmarschieren" keine Probleme, hatte sie sich doch nicht gescheut, vier Jahre zuvor Soldaten in den Krieg zu schicken, vor die Küste von Argentinien, und war somit die erste, die nach '45 Krieg zum Mittel der Politik machte.
Es ist schon fast absurd, dass es die Niederlage der argentinische Flotte und Luftwaffe im Falkland-Krieg war, die zum Sturz der menschenverachtenden argentinische Junta und der von ihr befehligten Folterknechte führte - was nicht das vordringliche Ziel der britischen Premierministerin gewesen ist, kein Wort verlor sie darüber, wohl aber über Juntachef Pinochet, der in Chile an der Spitze eines Regime mit schlimmsten Menschenrechtsverletzungen gestanden hatte. Er hatte dem britischen Expeditionskorps erlaubt, eine chilenische Basis für seinen leistungsfähigen Radar zu nutzen und verhalf den Briten zum militärischen Sieg. Und holte Frau Thatcher aus einem Umfragetief, in das sie sich mit einer geplanten Kopfsteuer manövriert hatte.
Ihm, Pinochet, machte sie dann auch ihre Aufwartung, als sich dieser 1998 in London in medizinischer Behandlung befand, während bereits Ermittlungen gegen ihn liefen.
All das tat der Bewunderung ihrer Anhänger keinen Abbruch, richtig dumm gelaufen für die Eiserne Lady ist es, dass die Finanzkrise VOR ihrem Tod ausbrach, die Finanzkrise, die auch ihre Anhänger traf und trifft und die ihr "Big Bang" erst möglich gemacht hatte. Vor diesem Rost auf ihrem Panzer rettet sie auch nicht der Sieg auf den Falklandinseln und auch nicht das Erdöl aus der Nordsee, welches mitentscheidend für die Erfolge ihrer Politik gewesen ist.