Im zugespitzten Konflikt um das nordkoreanische Raketen- und Atomprogramm erhöhen die USA den Druck auf die Führung in Pjöngjang. US-Außenminister John Kerry warnte Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un am Freitag in Seoul eindringlich vor dem Start einer Mittelstreckenrakete. "Das wäre ein Riesenfehler" und eine Provokation, die Pjöngjang nur weiter in die Isolation treiben würde. In Washington rief US-Präsident Barack Obama Nordkorea auf, seine kriegerische Haltung aufzugeben. Darin stimme er mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon überein, sagte Obama bei einem Treffen mit Ban am Donnerstag (Ortszeit) im Weißen Haus in Washington.
"Niemand möchte einen Konflikt auf der koreanischen Halbinsel sehen", fügte Obama hinzu. Aber Nordkorea müsse wie jede andere Nation grundlegende internationale Regeln befolgen, besonders UN-Resolutionen, sagte er mit Blick auf das Atomprogramm des kommunistischen Regimes. Die USA würden alle notwendigen Schritte unternehmen, um ihre Bürger zu schützen. Sie würden ihren Bündnisverpflichtungen in der Region nachkommen, betonte Obama.
Kerry sagte an der Seite des südkoreanischen Amtskollegen Yun Byong Se, die USA und der Rest der Welt würden das kommunistische Land niemals als "Atommacht" anerkennen. Zugleich spielte Kerry amerikanische Medienberichte über die Einschätzung des US-Militärgeheimdienstes herunter, dass Nordkorea entscheidende Fortschritte bei der Miniaturisierung von Atomwaffen gemacht habe.
Entschlossenheit Südkorea und Japan zu verteidigen
Angesichts der Kriegsdrohungen durch Pjöngjang unterstrich Kerry die Entschlossenheit der USA, ihre Verbündeten Südkorea und Japan und das eigene Land zu verteidigen. "Kim Jong Un sollte verstehen, was der Ausgang eines Konfliktes sein wird." Kerry deutete darüber hinaus an, dass er bei seinen geplanten Gesprächen in Peking an diesem Samstag die dortige Führung drängen will, auf den traditionellen Verbündeten Pjöngjang mäßigend einzuwirken. Kein Land der Erde habe mehr Einfluss auf Nordkorea als China.
Kerrys Reise nach Ostasien - er reist nach China am Sonntag auch nach Japan - erfolgt zu einem kritischen Zeitpunkt. Das Militär der USA und Südkoreas hat Hinweise, dass Nordkorea in Kürze eine oder zwei Mittelstreckenraketen der Typs Musudan testen könnte, die theoretisch die US-Pazifikinsel Guam treffen könnte. Die ballistische Rakete mit einer geschätzten Reichweite von 3000 bis 4000 Kilometern ist nicht erprobt.
Nach UN-Resolutionen sind dem Land Raketenstarts mit ballistischer Technologie untersagt. Die USA, Südkorea und Japan haben Raketenabwehrsysteme in Stellung gebracht, um eine Rakete notfalls abzufangen, sollte sie eine Bedrohung für die drei Länder darstellen.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte in einer direkten Botschaft an Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un ein Ende der Provokationen. In einem am Donnerstag (Ortszeit) ausgestrahlten Interview des Senders CNN appellierte Ban in seiner Muttersprache Koreanisch an Kim: "Als UN-Generalsekretär und Bürger Koreas bitte ich Sie eindringlich, die provokativen Handlungen der jüngsten Zeit zu beenden und zum Dialog zurückzukehren."
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der zur gleichen Zeit wie Kerry in Seoul war, rief am Freitag ebenfalls Nordkorea auf, von Provokationen Abstand zu nehmen und sich an internationale Regeln zu halten.
Die Lage in der Region gilt nach dem dritten Atomtest durch Nordkorea im Februar als extrem angespannt. Angesichts der Ausweitung von UN-Sanktionen und südkoreanisch-amerikanischer Militärübungen hatte Pjöngjang den Waffenstillstandsvertrag von 1953 gekündigt, den USA mit einem präventiven Atomschlag gedroht und im Verhältnis zu Südkorea den "Kriegszustand" ausgerufen.
Ton gegen Japan verschärft
Am Freitag verschärfte Nordkorea seinen Ton gegen Japan. Sollte sich Tokio in einen möglichen Konflikt auf der koreanischen Halbinsel einmischen, drohe das Land "in atomaren Flammen verbrannt" zu werden, hieß es in einem von der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA veröffentlichten Kommentar.
Nach einem Bericht der "New York Times" schätzt die Defence Intelligence Agency (DIA) in den USA, dass Nordkorea mit ziemlicher Sicherheit "derzeit über Nuklearwaffen verfügt, die von ballistischen Raketen getragen werden können". Die Zuverlässigkeit der Waffen dürfte jedoch eher gering sein, berichtete die Zeitung, die nach eigenen Angaben Einsicht in den vertraulichen Bericht hatte. Kerry widersprach der Einschätzung: Die Annahme sei nicht korrekt, dass Nordkorea "die Fähigkeiten vollständig entwickelt und erprobt hat, die in dem Bericht genannt werden".
dpa/okr - Bild: Paul J. Richards (afp)