"Italien, du hast es besser!" könnte man ausrufen, wäre der Hintergrund nicht so gefährlich, und in gewisser Hinsicht tragisch. Obwohl: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (nicht die TAZ, nein, die FAZ) schrieb erstaunlich freundlich über die Grillini, die bisher unbekannten jungen, urbanen und beruflich eingebundenen Abgeordneten von Wahlsieger Grillo.
Italien, du hast die schöneren Autos, die Sonne und das Meer sowieso, und unsterbliche Filme. Politisch zelebriertest du das Ende des Duce wie eine Oper, womit Du schon zeigtest, dass du als Land anders tickst als die anderen. Nein, Herr Steinbrück, das Resultat auf zwei Clowns zu reduzieren, ist nur Wasser auf die Mühlen anti-teutonischer Vorurteile der Protagonisten und greift zu kurz. Viel zu kurz.
Beppe Grillo hat das geschafft, was kein Komiker vor ihm schaffte: Coluche, der Italo-Franzose mit Latzhose und roter Nase, brachte Frankreich zum Lachen, der fünften Republik konnte er mit seiner Präsidentschaftskandidatur nichts anhaben. Er scheiterte kläglich bei seinem Versuch, die Politik zu karikieren. Die deutschen Piraten verstrickten sich in der Sexismusdebatte, immerhin als Vorläufer, vor dem Auslaufmodell Brüderle.
Aber wir! Haben wir nicht Bart? Nein, Bart steht nicht an der Spitze flämischer Grillini, seine N-VA ist vergleichbar mit der Lega Nord, noch ohne die Verstrickungen derselben mit dem Cavaliere. Wohl aber verstrickt in den Fallstricken in Antwerpen, seit sich Bart de Wever den Mühen der Ebene stellt, nicht ohne Geschick und Fortune, wie seine jüngste Attacke gegen den ACW und somit die CD&V zeigt. Was auch die Nervosität der Koalition in Brüssel erklärt: Auch in Eupen fühlte sich Di Rupo in dieser Woche bemüßigt, die Errungenschaften seiner Regierung mantramäßig zu wiederholen.
Nicht Coluche, nicht Bart, anders. In Italien stehen sich zwei kulturelle Modelle gegenüber: das skandinavisch-deutsche EU-Modell und das Lager derjenigen, die wollen, dass jedes Land so wirtschaftet wie es will, mit oder ohne Schattenwirtschaft und eigenwilligem Steuermodell. Jedenfalls verdanken wir es Italien, der EU überdeutlich ihre Grenzen und Irrwege aufzuzeigen. Nur zu welchem Preis? Darauf würde keine Ratingagentur wetten dürfen, zu angeschlagen sind diese inzwischen und zu irrational ist die ganze Entwicklung.
Da ist es geradezu umwerfend, ja grotesk, dass im Land der Comedia dell' Arte der Hort von Vernunft ausgerechnet im Vatikan scheint, und dort einer der wenigen Vernünftigen: Zwar hat er medienwirksame Kopfbedeckungen hervorgeholt und rote Schuhe bevorzugt, aber gab es einen vernünftigeren Papst als Benedikt?
Sein Vorgänger, Johannes Paul, hatte seinen eigenen Tod als christliches Martyrium zelebriert, als Mystiker. Karol Wojtyla, der erfolgreiche Anti-Kommunist, wollte die Religionen verbünden in einer universalen Gegnerschaft zur Gottlosigkeit. Joseph Ratzinger wollte etwas anderes. Er wollte das Primat des Katholizismus und dazu die Pius-Brüder mit ins Boot holen. Gegen die Pius-Brüder hat er verloren, seinem Bestreben, seinen Glauben zu dem des vernunftbegabten und aufgeklärten Westens zu erklären, hat er sich angenähert, professoral und risikobereit, wie bei der Regensburger Rede.
Den Glauben mit der Vernunft versöhnen: Einen sichtbaren und bewussten Schritt machte er mit seiner Rücktrittserklärung, als Ausdruck nüchterner Vernunft. Ausgerechnet im "unvernünftigen" Italien.