Massenproteste haben in Bulgarien das Ende der bürgerlichen Regierung erzwungen. Nach neuen Ausschreitungen reichte Ministerpräsident Boiko Borissow am Mittwoch mit seinem gesamten Kabinett den Rücktritt ein. Trotzdem gingen am Abend wieder Tausende auf die Straße, um gegen hohe Strompreise und ausländische Monopole zu protestieren. "Ich werde nicht an einer Regierung teilnehmen, wenn die Polizei sich mit den Leuten schlagen muss", sagte Borissow.
Die Aktivisten protestierten auch am Parlament, wo mehrere hundert Anhänger Borissows ihre Unterstützung für seine Partei GERB (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) bekundeten. Ein starkes Polizeiaufgebot verhinderte Zusammenstöße beider Lager. Proteste gab es auch in den Schwarzmeerstädten Warna und Burgas, in Blagoewgrad und in Wraza.
Kein geschlossenes politisches Konzept
Die Aktivisten, die seit Tagen Bulgariens Tagesordnung bestimmen, gehören zu keiner der etablierten Parteien. Die über das Internet in rund 30 Städten organisierten Menschen haben auch kein geschlossenes politisches Konzept. Ihre Proteste richten sich gegen ausländische Monopole ebenso wie gegen die traditionellen Politiker und deren Parteien. Soziologen warnten, dass Bulgarien in Anarchie versinken könnte, der Druck der Straße sei unberechenbar.
"Wir setzen den Kampf fort", erklärten Vertreter der Demonstranten nach Borissows Rücktritt. Die Aktivisten fordern nun für sich eine Quote von 50 Prozent in allen staatlichen Kontrollbehörden wie zum Beispiel für die Energieversorgung. Politisch verlangen sie Wahlen für eine Große Volksversammlung, die die Verfassung ändern soll.
"Wenn sie die amerikanische Fahne verbrennen, werden sie keine niedrigeren Stromrechnungen bekommen", kritisierte der Soziologe Dimitar Dimitrow die teils chaotischen Proteste. Im Unterschied zu der tiefen Krise von 1996 und 1997 gebe es nun keine politische Alternative, sagte der Politologe Ognjan Mintschew. Die jetzige Lage mache das Land "praktisch unregierbar".
Die regulären Parlamentswahlen wären im Juli. Nun werden vorgezogene Wahlen Ende April in Aussicht gestellt. Das Parlament soll am Donnerstag den Rücktritt von Borissows Regierung billigen. Die oppositionellen Sozialisten verzichteten als zweitstärkste Fraktion bereits darauf, eine neue Regierung zu bilden. Parteichef Sergej Stanischew forderte Neuwahlen.
Letzten Endes muss Staatspräsident Rossen Plewneliew eine Interimsregierung berufen. Borissow erklärte, dass sich seine Partei daran nicht beteiligen wolle.
Elena Lalowa, dpa/cd - Bild: Nikolay Doychinov (afp)