Kleine Revolution oder großer Schwindel: Das sozialistische Kuba hat die Reiseregelungen für seine Bürger gelockert. Nachdem die rund elf Millionen Kubaner jahrzehntelang praktisch auf ihrer Insel eingesperrt waren, brauchen sie in Zukunft für eine Ausreise keine Sondergenehmigung ("Carta blanca") mehr. Auch die bislang erforderliche Einladung aus dem Ausland gehört der Vergangenheit an.
Dissidenten reagierten ungläubig und abwartend. Sie befürchten, dass für einige Oppositionelle oder bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte und Hochschullehrer einige Restriktionen weiter gelten.
Ausreisewelle steht nicht bevor
Eine Ausreisewelle steht nicht bevor, denn die neue Reisefreiheit stößt auf viele Grenzen. Die Situation in Kuba ist beispielsweise nicht vergleichbar mit der Öffnung der innerdeutschen Grenze im Herbst 1989. Zum einen hat die Karibikinsel Kuba keine Landgrenze. Zum anderen sind die Kubaner wesentlich ärmer als seinerzeit die DDR-Bürger, so dass sich viele überhaupt keine Reise ins Ausland leisten können. Darüber hinaus gilt für die meisten Länder - vor allem die westlichen - eine Visumspflicht. Zudem gaben Oppositionelle an, dass sie mindestens zwei Wochen auf einen Reisepass warten müssen.
Die bekannte oppositionelle Kuba-Bloggerin Yoani Sánchez beantragte als eine der Ersten einen Reisepass. "Die Beamtin versicherte mir, dass ich, sobald ich den Reisepass habe, auch reisen könne. Ich kann das noch nicht glauben", schrieb die 37-Jährige im Internet-Kurznachrichtendienst Twitter. Jetzt müsse sie zwei Wochen warten, bis sie das Dokument in den Händen halte. "Ich rechne, dass ich in der ersten Februar-Woche meinen Pass habe und reisen kann... ich kreuze die Finger. Wenn ich im Flugzeug sitze, glaube ich es!" Ihr wurde bereits 20 Mal die Ausreise verweigert. Sie hatte aber stets betont, dass sie nach einer Ausreise nach Kuba zurückkehren werde.
Visapflicht für die allermeisten Zielländern
Für die Beantragung der Reisepässe richteten die Behörden landesweit fast 200 Büros ein. In Kuba kursierten bereits Listen mit solchen Ländern, für die Kubaner kein Visum brauchen. Allerdings gilt die Visapflicht für die allermeisten Zielländern, die den Kubaner auch nicht ohne weiteres eine Einreiseerlaubnis erteilen. Dennoch könnte die am 16. Oktober 2012 verkündete Neuregelung des Migrationsgesetzes erhebliche Vorteile für die Kubaner bringen. Unter anderem wurde auch die erlaubte Maximal-Dauer von Privatreisen von elf auf 24 Monate ausgeweitet.
Die Regierung von Präsident Raúl Castro hatte im Oktober 2012, als sie die Lockerungen im Reiseverkehr ankündigte, bereits Einschränkungen signalisiert. Mit Restriktionen müsse gerechnet werden, wenn etwa Gründe des "öffentlichen Interesses" oder der "nationalen Sicherheit" gegen eine Ausreise sprächen.
Kuba will eine massenhafte Abwanderung hochqualifizierter Berufsgruppen verhindern - in der Amtsprache heißt das "von der Revolution geschaffenes Humankapital". Betroffen dürften vor allem Mediziner sein. Ärzte und Hochschullehrer sind in Kuba schlecht bezahlt. Sie verdienen umgerechnet etwa 25 Euro. Zum Leben braucht man aber etwa 100 Euro.
Etwa 86 Prozent der Exilkubaner leben noch offiziellen kubanischen Angaben in den Vereinigten Staaten. Davon leben wiederum über zwei Drittel in Florida, wo sie 6,5 Prozent der Gesamtbevölkerung des US-Bundesstaates ausmachen und dort damit die größte Latino-Gruppe bilden.
Helmut Reuter, dpa/rkr - Bild: Adalberto Roque (afp)