Ein Jahr nach dem Abzug der letzten US-Soldaten steht der Irak vor dem Abgrund. Der Streit zwischen den Parteien eskaliert. Die Zahl der Attentate nimmt zu. Der schiitische Regierungschef Nuri al-Maliki schlägt Neuwahlen vor. Doch seine Gegner sind damit nicht zufrieden. Der einflussreiche schiitische Prediger Muktada al-Sadr solidarisierte sich am Sonntag mit sunnitischen Demonstranten in der westlichen Anbar-Provinz, die aus Protest gegen Al-Malikis Politik seit Tagen eine Autobahn blockieren.
In Dijala verübten Extremisten am Montag ausgerechnet ein Attentat auf einen Politiker, der für die Versöhnung zwischen den Volksgruppen zuständig ist. Der Berater für nationale Versöhnung in der Provinz Dijala, Chalid al-Lahibi, sagte der Nachrichtenagentur Sumeria News, mehrere bewaffnete Männer hätten das Feuer auf die Straßensperre vor seinem Haus südlich der Stadt Bakuba eröffnet. Ein Wächter wurde getötet.
Auch der Gouverneur der südlich von Bagdad gelegenen Provinz Babylon entging ganz knapp einem Attentat. Lokale Medien berichteten, an einem Fahrzeug von Leibwächtern von Mohammed al-Massudi seien zwei Magnetbomben detoniert. Ein Leibwächter starb. Ein Fahrer und elf Passanten wurden verletzt, als der Sprengsatz vor dem Gouverneursgebäude in der Provinzhauptstadt Hilla explodierte.
Unbekannte brachten nach Angaben aus Sicherheitskreisen neben dem Konvoi des Vorsitzenden des Provinzrates von Salaheddin, Emar Jussif, einen Sprengsatz zur Explosion, als dieser aus dem Weg zu einer Protestaktion gegen die Regierung in der Stadt Samarra war. Die Bombe beschädigte jedoch nur einige Fahrzeuge.
In Hilla detonierte am Montag eine Autobombe vor einer schiitischen Moschee. Die Polizei erklärte, ein Zivilist sei durch die Explosion ums Leben gekommen. 17 Menschen hätten Verletzungen erlitten. In der nahe gelegenen Stadt Al-Mussajib starben laut Polizei sieben Menschen, als Sprengsätze vor drei Häusern explodierten. Der Hintergrund des Anschlags, dem unter anderem ein Offizier der Armee zum Opfer fiel, blieb unklar.
Wahl im April vorgeschlagen
Der Ministerpräsident hatte am Sonntag in einem TV-Interview vorgeschlagen, im April ein neues Parlament zu wählen. Vorgezogene Wahlen könnten die aktuelle Krise beenden, die sonst in einem Bürgerkrieg münden könnte, sagte er dem lokalen Sender Sumeria TV.
Sunnitische Politiker äußerten sich skeptisch zu seinem Vorschlag. Viele Sunniten sind wütend, weil die Polizei vor einigen Tagen neun Leibwächter des sunnitischen Finanzministers Rafai al-Essawi unter Terrorverdacht verhaftet hatte. Al-Malikis Kritiker sehen darin den Versuch, einen politischen Gegner auszuschalten. In der Anbar-Provinz setzten sunnitische Aktivisten und Stammesangehörige ihre Blockade der Straße nach Jordanien fort.
Al-Maliki drohte in einem Interview mit dem staatlichen Sender Al-Irakija, den Protest gewaltsam zu beenden. Er sagte an die Adresse der Demonstranten: "Denkt nicht, dass es der Regierung schwer fallen wird, Maßnahmen gegen Euch zu ergreifen oder die Straße frei zu machen, um diese Angelegenheit zu beenden!" Seine Rivale Muktada Al-Sadr erklärte derweil seine Solidarität mit den Demonstranten.
Anne-Béatrice Clasmann, dpa - Archivbild: epa