In Syrien kämpfen immer mehr religiöse und ethnische Gruppen immer erbitterter gegeneinander. Dies geht aus einem UN-Bericht hervor, der am Donnerstag in Brüssel veröffentlicht wurde.
"Ganze Religionsgemeinschaft laufen Gefahr, aus dem Land gedrängt oder innerhalb des Landes getötet zu werden", heißt es in dem Bericht der vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzten Kommission. Die Menschenrechte würden von beiden Seiten verletzt, sowohl von der Regierung als auch von Aufständischen und ausländischen Kämpfern.
"Der Konflikt bekommt einen zunehmend religiösen und ethnischen Charakter", sagte der Kommissionsvorsitzende, der brasilianische Diplomat Paulo Pinheiro, in Brüssel. "Das haben wir schon früher gesehen, aber jetzt ist viel deutlicher. Kräfte der Regierung greifen sunnitische Zivilisten an. Regierungsfeindliche Gruppen attackieren Alawiten oder andere regierungsfreundliche Minderheiten wie Christen, Armenisch-Orthodoxe und Drusen."
Christen, Kurden und Turkmenen seien jetzt auch in den bewaffneten Konflikt hineingezogen worden. "Das ist eine neue Entwicklung der vergangenen Monate: In einigen Fällen haben sie für die Selbstverteidigung zu den Waffen gegriffen."
Die Kommission sei "extrem besorgt über die Anwesenheit ausländischer Kämpfer, von denen einige Verbindungen zu extremistischen Gruppen haben". Diese Ausländer kämen aus Europa, Amerika und dem Nahen Osten.
Warnung vor Waffenlieferungen
Pinheiro warnte vor Waffenlieferungen an eine der zahlreichen Konfliktparteien. "Wir glauben, dass Waffenlieferungen nicht zum Ende des Krieges beitragen. Das macht alles nur schlimmer." "Alle Seiten sind zunehmend rücksichtloser geworden. Wir denken, dass in diesem Krieg ein militärischer Sieg unmöglich ist", sagte Pinheiro weiter.
Der russische Präsident Wladimir Putin warnte in Moskau vor einem militärischen Erfolg der Gegner von Präsident Baschar al-Assad. Es sei völlig unklar, was in diesem Falle passieren werde, sagte der Kremlchef vor Journalisten. "Wir wollen nicht, dass die heutige Opposition, einmal an der Macht, den Kampf mit der heutigen Regierung fortsetzt und dass das für immer so weitergeht." Putin kritisierte, dass zunächst alles zerstört und erst dann überlegt werde, wie es weitergehen solle. Moskau ist ein enger Partner Assads.
Keine Einigung über Übergangsregierung
Die syrische Opposition tut sich indes schwer mit der Bildung einer Übergangsregierung, die ihren Sitz in den "befreiten Gebieten Syriens" haben soll. Aus Kreisen der Regimegegner hieß es am Donnerstag, es fehle sowohl an Geld als auch an einer Einigung darüber, wer Regierungschef werden solle. Die Regierung soll aus der erst kürzlich gegründeten oppositionellen Nationalen Syrischen Koalition unter Moas al-Chatib hervorgehen, in der die Muslimbruderschaft eine tragende Rolle spielt.
Die Koalition hatte sich diese Woche bei einem Treffen mit Kommandeuren der Freien Syrischen Armee auf eine gemeinsame Strategie geeinigt. In einer gemeinsamen Erklärung, die von General Salim Idriss und Al-Chatib unterzeichnet wurde, heißt es, ihr Ziel sei es, das Regime zu stürzen, den Sicherheitsapparat aufzulösen und die Bildung einer Übergangsregierung zu unterstützen.
Aus mehreren Provinzen meldeten die Regimegegner auch am Donnerstag Kämpfe. Bei Kämpfen und Luftangriffen in Syrien starben nach Informationen der Regimegegner 25 Menschen.
Die Arabische Liga macht sich unterdessen große Sorgen um die palästinensischen Flüchtlinge in Syrien. Der Generalsekretär der Liga, Nabil al-Arabi, rief die Bürgerkriegsparteien in Syrien am Donnerstag auf, die Bewohner der Palästinenserlager zu schützen. Bewaffnete Revolutionäre hatten diese Woche die Kontrolle über weite Teile des Lagers übernommen. Die Armee reagierte mit Luftangriffen. Tausende Palästinenser flohen aus dem Lager.
dpa - Bild: Adem Altan (afp)