Die Volksabstimmung über die neue ägyptische Verfassung gerät immer mehr zur Hängepartie. Die Richter des Staatsrates in Ägypten kündigten an, sie wollten bei der zweiten Runde des Verfassungsreferendums nicht mehr Aufsicht führen. Damit wird die Legitimität der ohnehin umstrittenen Abstimmung zusätzlich infrage gestellt.
In Kairo protestierten am Dienstagnachmittag Tausende von Demonstranten gegen das Referendum.
Der linke Oppositionsführer Hamdien Sabahi jubelte über den Kurznachrichtendienst Twitter: "Der Boykott der Richter des Staatsrates und der Rücktritt des Generalstaatsanwaltes sind zwei historische Siege für die Unabhängigkeit der ägyptischen Justiz."
Generalstaatsanwalt Talaat Ibrahim Abdullah, der von Präsident Mohammed Mursi erst vor wenigen Wochen ernannt worden war, hatte am Montagabend seinen Rücktritt erklärt. Er beugte sich damit dem Druck der Staatsanwälte, die seine Ernennung und die Entlassung seines Vorgängers durch Mursi als Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz gewertet hatten. Die Anwälte hatten am Montag vor seinem Büro protestiert.
Abdullah hatte in seiner kurzen Amtszeit mehrfach umstrittene Entscheidungen gefällt. Er ließ gegen Oppositionelle wie den Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei und den Ex-Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, wegen Anstachelung zum Umsturz ermitteln. Staatsanwälte wies er an, hart gegen festgenommene Demonstranten vorzugehen.
Sein Rücktritt erfolgte vor dem Hintergrund von Ermittlungen wegen Unregelmäßigkeiten am ersten Tag des Verfassungsreferendums am vergangenen Samstag. Die Wahlkommission geht Beschwerden über illegale Machenschaften wie Wählerbeeinflussung und dem Fehlen von Richtern in Wahllokalen nach. Nach inoffiziellen Angaben hatte die Mehrheit der Wähler in zehn Provinzen für die von den Islamisten geprägte Verfassung gestimmt.
Richter weigern sich
Die Berufsvereinigung der Richter des Staatsrates erklärte, ihre Mitglieder stünden für die Beaufsichtigung der zweiten Runde der Volksabstimmung über die Verfassung nicht zur Verfügung. Sie begründete dies damit, dass es bei der ersten Runde keine ausreichenden Vorkehrungen für einen sicheren und geordneten Ablauf der Abstimmung gegeben habe.
Damit dürfte es für die regierenden Islamisten noch schwerer werden, genügend Richter aufzubieten, um die Volksabstimmung an diesem Samstag in 17 Provinzen zu beaufsichtigen. Schon bei der ersten Runde in Kairo und neun weiteren Provinzen hatten sich Wähler in einigen Bezirken darüber beschwert, dass der Leiter der Abstimmung in ihrem Wahllokal kein Richter gewesen sei. Die Mehrheit der Richter des Landes hatte den Urnengang boykottiert.
Der Staatsrat ist für Fragen der Verwaltung zuständig sowie für Rechtsstreitigkeiten, in denen eine Institution oder ein Amtsträger angeklagt wird. Der den Islamisten nahestehende Justizminister Ahmed Mekki erklärte in einem TV-Interview: "Dass die Richter des Staatsrates die zweite Runde der Volksabstimmung nicht überwachen sollen, wird keine negativen Folgen für die Abstimmung haben."
dpa - Bild: Marco Longari (afp)