Vor der Präsidentenwahl in Südkorea am nächsten Mittwoch (19. Dezember) wird es spannend. Wieder einmal stehen die Kandidaten der beiden größten Parteien im Vordergrund, von denen einer am Ende das Rennen macht. Die älteste Tochter des früheren Diktators Park Chung Hee, Park Geun Hye, hat dabei gute Chancen, als erste Frau das Präsidentenamt des ostasiatischen Landes zu übernehmen. Umfragen sahen die 60-jährige Kandidatin und frühere Chefin der regierenden konservativen Saenuri-Partei knapp vor dem Hoffnungsträger der oppositionellen Demokratischen Einheitspartei (DUP), Moon Jae In. Doch der 59 Jahre alte Mitte-Links-Kandidat und frühere Menschenrechtsanwalt holte zuletzt auf.
Die Demoskopen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Der Abstand zwischen beiden bewege sich «innerhalb einer Fehlertoleranz» von 3 Prozent, sagt die Meinungsforscherin Kim Jiyoon vom Asan-Institut in Seoul mit Blick auf die Werte jüngster Umfragen. Danach könnte beiden zwischen 40 und 50 Prozent der Stimmen zufallen.
Harter Wahlkampf
Die viertgrößte Volkswirtschaft Asiens mit ihren fast 50 Millionen Einwohnern hat einen harten Wahlkampf mit gegenseitigen Attacken der Kandidaten, lebhaften TV-Debatten und Massenveranstaltungen hinter sich. Im Wahlkampf standen vor allem Wirtschaftsthemen und die Stärkung der öffentlichen Wohlfahrt im Mittelpunkt.
Moon will die Abstimmung zur Richtungswahl für eine neue Sozial- und Wirtschaftspolitik machen. Die Wähler rief er auf, das Urteil über die Regierung von Präsident Lee Myung Bak zu fällen, dessen Beliebtheit nach einer Reihe von Skandalen und nicht erfüllten Wahlversprechen für ein konstant starkes Wirtschaftswachstum deutlich gesunken ist. Der frühere Konzernchef Lee kann nicht wiedergewählt werden und muss nach der fünfjährigen Amtszeit das «Blaue Haus» in Seoul Ende Februar wieder verlassen.
Parks Lager, das sich ebenfalls von Lees Verwaltung distanziert, macht Moon für Fehler der früheren liberalen Regierung von Präsident Roh Moo Hyun (2003 bis 2008) mitverantwortlich. Moon war unter anderem Rohs Stabschef. «Beide (Kandidaten) haben klare Verbindungen zu früheren konservativen und progressiven Regierungen», sagt der Vorsitzende des Asan-Instituts, Hahm Chai Bong. Sie seien daher gezwungen gewesen, die Fehler der früheren Regierung anzuerkennen.
Nordkorea jetzt auch Thema
Spielte das Thema Nordkorea bisher im Wahlkampf eher eine untergeordnete Rolle, so dürfte im Endspurt die nationale Sicherheit etwas mehr nach vorne rücken. Das kommunistische Nordkorea hatte am Mittwoch trotz aller internationalen Warnungen eine Weltraumrakete gestartet, um einen Satelliten in eine Umlaufbahn zu bringen. Südkorea, die USA und andere Staaten sahen darin jedoch den verdeckten Test einer Rakete zu militärischen Zwecken. Moon und Park verurteilten den Start umgehend. Doch was die mögliche Auswirkung des als Provokation verstandenen Raketenstarts auf das Wählerverhalten betrifft, gehen die Meinungen der Experten weit auseinander.
Hinsichtlich der Politik Moons und Parks gebe es «eine unverkennbare Bewegung zur Mitte», sagt Hahm. Allerdings mit einer Ausnahme, «das ist die Außen- und Sicherheitspolitik». Beide wollen Nordkorea stärker einbinden. Beide rücken dabei mehr oder weniger stark von der Linie Lees ab, der die Annäherungspolitik seines Vorgängers gleich zu Anfang auf den Prüfstand gestellt hatte. Park steht dabei aber naturgemäß näher bei ihrem Parteifreund Lee. Von Moon wird mehr Engagement erwartet.
Zahlreiche Südkoreanerinnen hoffen, dass mit der unverheiratet gebliebenen Park die Frauenrechte gestärkt werden. Die Gesellschaft des einstigen wirtschaftlichen Tigerstaates ist noch immer stark von patriarchalischen, konfuzianischen Vorstellungen geprägt. Doch die Vergangenheit wirft einen langen Schatten auf Parks Ambitionen. Park sah sich im Wahlkampf gezwungen, sich für Menschenrechtsverletzungen während der Herrschaft ihres Vaters (1961 bis 1979) zu entschuldigen.
Dirk Godder, dpa/wb - Bild: Kim Jae-Hwan (afp)