«Nein zu einer Verfassung, die Rechte abschafft und die Freiheit in Ketten legt. Nein zur Diktatur», titelten die Tageszeitungen «Al-Masry Al-Youm» und «Al-Tahrir» am Montag aus Protest gegen den neuen Verfassungsentwurf, der von einem Gremium entworfen wurde, das von Muslimbrüdern und Salafisten dominiert ist.
Der Slogan steht auf einer schwarzen Fläche, auf der eine in Zeitungspapier gewickelte Figur in einer Ecke kauert. Sie ist in eine Gefängniszelle gesperrt, angekettet an eine Metallkugel. Für Dienstag war eine weitere Protestation der Medien geplant - elf Blätter sollten gar nicht erscheinen.
Die neuerliche Protestaktion richtet sich gegen die neue Verfassung, die Mursi so schnell wie möglich durchboxen will. Durch die Ausweitung des Einflusses islamischer Gelehrter sieht mancher in ihr den ersten Schritt in Richtung Gottesstaat. Liberale und Christen befürchten eine strengere Auslegung der Scharia, die schon jetzt die wichtigste Quelle der Gesetzgebung in Ägypten ist. Am 15. Dezember sollen die Menschen bei einem Referendum über die neue Verfassung abstimmen. Eine Mehrheit für den Entwurf gilt als sicher.
Allerdings haben auch Richter ihren Widerstand gegen die Abstimmung angekündigt. Nachdem Islamisten am Wochenende das oberste Verfassungsgericht umstellt und Richter am Zugang zu dem Gebäude gehindert hatten, kündigten sie einen Boykott des Referendums an. In Ägypten werden solche Abstimmungen jedoch grundsätzlich von Richtern überwacht. Tun sie das nicht, besteht die Gefahr, dass das Referendum für ungültig erklärt wird. Wie viele Richter sich dem Aufruf des Vorsitzenden der Berufsgenossenschaft der Richter und Mursi-Kritikers Ahmed al-Sind überhaupt anschließen, ist unklar.
Und falls die Zahl der Richter knapp wird, dürfte sich Mursi wohl zu helfen wissen. Schließlich hat er gerade erst verfügt, dass alle von ihm erlassenen Dekrete, Gesetze und Verfassungserklärungen gültig sind und nicht von der Justiz angefochten werden dürfen. Der Präsident darf zudem alle Maßnahmen ergreifen, die seiner Ansicht nach nötig sind, um das Land und die Ziele der Revolution zu schützen.
Im ägyptischen Staatsfernsehen wurde nach Angaben der Zeitung «Al-Masry Al-Youm» eine Sendung mit der unverschleierten Moderatorin Hala Fahmi unterbrochen, weil sie während einer Live-Übertragung am Sonntag ein Leichentuch in die Hand nahm und Mursis Vorgehen kritisierte. «Das, was gerade passiert, ist gegen das Land, gegen die Nation», sagte sie. «Der, der Ägypten liebt, darf sich nicht für dumm verkaufen lassen.»
dpa - Bild: Gianluigi Guercia (afp)