Der Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern im Gazastreifen droht außer Kontrolle zu geraten. Die israelische Armee begann, Reservisten einzuziehen. Damit kann eine Bodenoffensive nicht mehr ausgeschlossen werden.
Einen Tag nach der gezielten Tötung von Hamas-Militärchef Ahmed al-Dschabari durch Israel wurden am Donnerstag drei Menschen durch eine palästinensische Rakete getötet. Zudem wurden mindestens zwölf Menschen in Israel verletzt. Im Gazastreifen stieg die Zahl der Toten bei Luftangriffen auf 15. Nach Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums wurden mehr als 150 Menschen verletzt.
Die israelische Armee habe seit Beginn der Offensive "Säule der Verteidigung" am Mittwoch fast 230 Ziele aus der Luft und vom Meer aus angegriffen, teilte eine Sprecherin in Tel Aviv mit. Die radikal-islamische Hamas feuerte nach diesen Angaben mindestens 245 Raketen auf Israel ab. Etwa ein Drittel der Geschosse wurde von der Raketenabwehr abgefangen.
In Gaza versammelten sich Tausende Palästinenser, um Al-Dschabari das letzte Geleit zu geben. Der militärische Arm der Hamas im Gazastreifen bezeichnete dessen gezielte Tötung durch die israelische Luftwaffe als «Kriegserklärung» und kündigte massive Rache an.
Gaza-Rakete in der Nähe von Tel Aviv eingeschlagen
Erstmals schlug am Donnerstag eine von militanten Palästinensern im Gazastreifen abgeschossene Rakete in unmittelbarer Nähe zu Tel Aviv ein. Das Geschoss habe ein offenes Feld neben der Stadt Rischon Lezion südlich von Tel Aviv getroffen, bestätigte eine Sprecherin des israelischen Militärs. Opfer oder Schäden haben es nicht gegeben.
Der Einschlagsort lag etwa 50 Kilometer nördlich des Gazastreifens und nur noch etwa zwölf Kilometer vom Zentrum der Mittelmeermetropole entfernt. Die gesamte Region ist sehr dicht besiedelt und südliche Vorstädte von Tel Aviv wie Holon liegen nur etwa drei Kilometer vom Einschlagsort entfernt. Über Raketentreffer derart weit nördlich vom Gazastreifen war bisher nichts bekannt geworden.
Reaktionen aus aller Welt
Die Vereinten Nationen und viele Regierungen weltweit warnten vor einer weiteren Verschärfung der Lage. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sehr besorgt, teilten die UN mit. Er verurteilte die palästinensischen Raketenangriffe und forderte Israel zur Zurückhaltung auf. Der UN-Sicherheitsrat hatte zuvor vor "möglicherweise katastrophalen Folgen" der Eskalation gewarnt.
Kritik musste sich Israel vor allem durch Ägypten gefallen lassen. Kairo zog als Reaktion auf die israelischen Angriffe seinen Botschafter aus Tel Aviv zurück. Präsident Mohammed Mursi sagte laut staatlichem Fernsehen: "Israel muss begreifen, dass wir keine Aggression akzeptieren, die sich negativ auf die Sicherheit und Stabilität in der Region auswirkt." Auch der Golfstaat Katar erklärte, die israelische Aggression dürfe nicht ungestraft bleiben. Syrien sprach von einem "barbarischen" Verbrechen Israels.
US-Präsident Barack Obama sicherte dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu seine Unterstützung zu. Obama habe in dem Telefonat bekräftigt, dass Israel ein Recht auf Selbstverteidigung habe, teilte das Weiße Haus in Washington mit. Netanjahu müsse aber alles dafür tun, um Opfer in der Zivilbevölkerung zu vermeiden.
Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak nannte am Mittwochabend vier Ziele der Aktion: Stärkung der israelischen Abschreckung, Zerstörung der Raketen-Infrastruktur im Gazastreifen, Schwächung terroristischer Gruppen und Schutz der israelischen Bevölkerung vor künftigen Raketenangriffen. Auch die Opposition unterstützte das Vorgehen. Die neue Runde der Gewalt hatte am Samstag begonnen, als ein israelischer Jeep von einer Rakete aus dem Gazastreifen getroffen wurde. Dabei waren vier Soldaten zum Teil schwer verletzt worden.
dpa/br/mh - BIld: Jack Guez (afp)