Die mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe soll für die Morde der Zwickauer Terrorzelle als Mittäterin vor Gericht. Die Bundesanwaltschaft erhob Anklage gegen die 37-Jährige. Sie sei nicht nur Mitglied des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) gewesen, sondern an sämtlichen Anschlägen als Mittäterin im Hintergrund beteiligt gewesen, sagte Generalbundesanwalt Harald Range am Donnerstag in Karlsruhe.
"Die NSU-Mitglieder verstanden sich als einheitliches Tötungskommando, das seine feigen Mordanschläge aus rassistischen und staatsfeindlichen Motiven arbeitsteilig verübte", sagte Range. Der Prozess beginnt voraussichtlich im Frühjahr vor dem Oberlandesgericht München.
Zschäpe ist die einzige Überlebende des Terrortrios. Ihre mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt töteten sich selbst. Neben Zschäpe sind vier mutmaßliche Unterstützer und Helfer der Gruppe angeklagt, darunter der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben.
Zschäpe sei ein gleichberechtigtes Mitglied der Gruppe gewesen, erläuterte Range. Sie habe der Gruppe "den Anschein von Normalität und Legalität" gegeben. "Sie war dafür verantwortlich, an ihren jeweiligen Wohnorten eine unauffällige Fassade zu pflegen." Nur so habe der NSU über Jahre hinweg unentdeckt bleiben können. Außerdem habe sie das Geld der Gruppe verwaltet. "Sie ist damit bei wertender Betrachtung genauso für die terroristischen Verbrechen des NSU verantwortlich wie Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die die Mordanschläge und Raubüberfälle letztlich unmittelbar ausführten", sagte Range.
Mittäterschaft bei sämtlichen Taten des NSU
Die Anklage wirft Zschäpe Mittäterschaft bei sämtlichen Taten des NSU vor: Neun Morde an Geschäftsleuten türkischer und griechischer Herkunft, den Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn 2007 und zwei Bombenanschläge in Köln, bei denen mehr als 20 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Auch bei den insgesamt 15 Banküberfällen, die der Gruppe zugerechnet werden, sei sie Mittäterin gewesen. Darüber hinaus lautet die Anklage auf Mordversuch wegen der Brandstiftung in der letzten gemeinsamen Wohnung des Trios in Zwickau: Sie habe dabei den Tod einer Nachbarin und zweier Handwerker in Kauf genommen.
Der 37-jährige Wohlleben und der 32 Jahre alte Carsten S. wurden wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Sie sollen die Pistole des Typs "Ceska 83" beschafft haben, die bei der Mordserie verwendet wurde. Außerdem wurden André E. (33) und Holger G. (38) als mutmaßliche Unterstützer der Gruppe angeklagt.
Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer kritisierte, dass die Bundesanwaltschaft bereits vor Zustellung der Anklageschrift an die Anwälte die Öffentlichkeit informierte. Dies sei "skandalös und respektlos gegenüber der Mandantin und ihrer Verteidigung", sagte Herr der Nachrichtenagentur dpa. Die Verteidigung müsse sich "seit Beginn des Ermittlungsverfahrens über die Medien über den Verfahrensstand informieren, da ihr wesentliche Informationen vorenthalten werden".
Die Bundesanwaltschaft begründete die Erklärung damit, dass die Anklageerhebung schon zuvor bekanntgeworden war. "Die Bundesanwaltschaft hält dieses Vorgehen ausnahmsweise für angezeigt, um zum Schutz aller Verfahrensbeteiligten Spekulationen über den Inhalt der Anklageschrift zu begegnen und eine Fehlinformation der Öffentlichkeit zu verhindern", erklärte eine Behördensprecherin. Den Inhalt der Presseerklärung hatten die Anwälte vorab erhalten.
Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe waren 1998 untergetaucht, nachdem die Polizei eine Bombenwerkstatt der Neonazis entdeckt hatte. Fast 14 Jahre lang konnte sich die Gruppe im Untergrund halten. Zuletzt lebten sie in einer gemeinsamen Wohnung in Zwickau (Sachsen). Als Mundlos und Böhnhardt sich töteten, um nach einem Banküberfall der Festnahme zu entgehen, zündete Zschäpe die Wohnung an. Am 8. November 2011 stellte sie sich der Polizei.
dpa - Bild: Bundeskriminalamt (afp)