
Die Furcht vor Hurrikan «Sandy» hat das öffentliche Leben an der US-Ostküste weitgehend lahmgelegt. Schon vor seinem Eintreffen wirbelte der Sturm das Leben von Millionen Menschen durcheinander.
Tausende Flüge fielen aus. In den Metropolen New York und Washington stand der Nahverkehr komplett still. Die Wall Street blieb erstmals seit 27 Jahren wieder wegen Sturms geschlossen, beeinträchtigt war auch der Präsidentschaftswahlkampf. Vor der Küste wurden zudem mehrere Menschen vermisst.
«Sandy» soll im Laufe des Abends (Ortszeit) südlich von New York an Land treffen. Nach Einschätzung des Hurrikan-Zentrums in Florida soll das Auge des Sturms im südlichen New Jersey, gute 100 Kilometer südlich des «Big Apple», die Küste erreichen. Der Sturm bewegte sich zuletzt mit etwa 30 Kilometern in der Stunde auf die US-Küste zu. Die Winde in seinem Wirbel erreichten zwischenzeitlich aber 150 Kilometer in der Stunde.
Rechtzeitig vor dem befürchteten Jahrhundertsturm kehrte US-Präsident Barack Obama von einer Wahlkampftour in Florida nach Washington zurück. Er wollte eine Sitzung des Krisenstabs leiten und anschließend eine Erklärung abgeben. «Die Sicherheit der vom Sturm betroffenen Amerikaner hat für den Präsidenten Priorität», teilte sein Sprecher Jay Carney mit. Noch könne nicht gesagt werden, inwieweit der Hurrikan die Wahl beeinträchtigen werde.
Allein die Sturmschäden könnten sich nach Ansicht von Fachleuten auf etwa drei Milliarden Dollar (2,3 Milliarden Euro) belaufen. Aus Angst vor dem Hurrikan sollten allein in New York fast 400.000 Bewohner ihre Häuser verlassen. Insgesamt könnten rund 60 Millionen Menschen die Auswirkungen «Sandys» zu spüren bekommen, wie es vom Energieversorger National Grid hieß.
Zu Hause bleiben
Das Auswärtige Amt rechnet wegen des Hurrikans mit erheblichen Einschränkungen im öffentlichen Leben an der Ostküste der USA. Das geht aus den aktuellen Reise- und Sicherheitshinweisen hervor. Die Menschen in den betroffenen Bundesstaaten deckten sich mit Vorräten ein. Knapp wurden Wasserflaschen, Lebensmittel in Dosen, Taschenlampen und Batterien. Das Zentrum der Hauptstadt Washington glich am Morgen (Ortszeit) einer Geisterstadt. Die Behörden riefen alle Bewohner auf, ab 14 Uhr Ortszeit möglichst nicht mehr die Häuser zu verlassen.
Zum ersten Mal seit 27 Jahren blieb die Wall Street wegen eines Sturms komplett geschlossen. An allen US-Aktienmärkten fiel zum Wochenauftakt wegen des Hurrikans der Handel aus. Dies hatte die US-Wertpapieraufsicht SEC in der Nacht zu Montag in New York angeordnet. Auch an diesem Dienstag dürfte der Handel ausfallen, wenngleich eine endgültige Entscheidung bis zuletzt fehlte.
Bürgermeister Michael Bloomberg warnte die New Yorker davor, den Sturm auf die leichte Schulter zu nehmen. «Sie könnten essen oder ins Kino gehen. Aber denken Sie daran: Es ist gefährlich da draußen. Vielleicht ist das einfach ein guter Tag, vor dem Fernsehen zu sitzen und ein Sandwich zu essen», sagte Bloomberg in New York. Der Hinweis, zu Hause zu bleiben, gelte aber nicht für die Menschen im Evakuierungsgebiet. Dazu zählen die niedriger gelegenen Stadtteile im Süden Manhattans, darunter das bekannte Viertel Tribeca.
In der Karibik starben wegen «Sandy» nach jüngsten Angaben 67 Menschen, davon allein in Haiti 51. Nach dem Vorbeizug wurden in der Region zudem mehrere Europäer vermisst. Nach Angaben des Transportministeriums in Paris handelt es sich um sechs bis sieben Franzosen, die mit einem Boot zwischen den Inseln Martinique und Dominica unterwegs waren. Bei einer dramatischen Rettungsaktion brachten zwei Hubschrauber der US-Küstenwache 14 Besatzungsmitglieder des Filmschiffs «Bounty» in Sicherheit. Zwei Menschen wurden allerdings auch Stunden nach der Aktion noch vermisst. Der aus dem Hollywood-Klassiker «Die Meuterei auf der Bounty» von 1962 bekannte Großsegler war etwa 150 Kilometer südöstlich von North Carolina in Seenot geraten und aufgegeben worden.
dpa - Bild: Nasa Goes Project (afp)