Wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen in den USA ist der Kampf der Kandidaten um entscheidende Wählerstimmen an Dramatik kaum noch zu überbieten.
Angesichts eines Gleichstandes in den Umfragen versuchten Amtsinhaber Barack Obama und sein Herausforderer Mitt Romney am Donnerstag, mit zahlreichen Kundgebungen in den wichtigstens Bundesstaaten auch die letzten unentschlossenen Bürger auf ihre Seite zu bringen. Obama erhielt dafür Schützenhilfe von prominenter Seite, während Romney sich zunehmend siegessicher zeigte.
Der Präsident setze sein eng getaktetes Mammutprogramm fort, das ihn seit Mittwoch in rund 48 Stunden durch acht US-Staaten an der Ost- und Westküste führte. Nach einer Rallye am Donnerstagmorgen in Florida landete er mittags in Virginia. Später wollte er in seinem Heimatstaat Illinois zwischenlanden, um vorzeitig seinen Stimmzettel im Wahllokal abzugeben. Enden sollte seine mehr als 7000 Kilometer lange Reise, während der er in der Präsidentenmaschine "Air Force One" übernachtete, im Staat Ohio.
Romney wollte sich dagegen am Donnerstag allein auf Ohio konzentrieren, das am 6. November das Zünglein an der Waage sein könnte. Am Vormittag rief der Republikaner die Wähler in Cincinnati auf, für den "großen Wandel für Amerika" zu stimmen. "Es ist eine wichtige Zeit für unser Land und der Weg, den wir wählen, wird enorme Konsequenzen haben", sagte er. Obama habe keinen Plan für die Zukunft. 2008 hatte Obamas Wahlkampf auf den Slogan "Hoffnung und Wandel" aufgebaut.
Zwölf Tage vor der Wahl deuteten die Umfragen immer mehr auf ein extrem knappes Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Fast alle am Donnerstag veröffentlichte Erhebungen sahen zwar Romney leicht vorn, aber sein Vorsprung lag innerhalb der üblichen Fehlermargen. Das Internetportal Real Clear Politics ermittelte einen nationalen Durchschnitt von 47,7 Prozent für den Republikaner und 47,1 Prozent für Obama.
Romney: "Ich bin optimistisch"
Entscheidend sind wegen des US-Wahlsystems jedoch die Ergebnisse in den einzelnen Staaten. Und in fast einem Dutzend davon liegen beide Kandidaten derzeit so nah beieinander, dass keiner von ihnen einen klaren Favoritenstatus für den Wahlabend hat. Um zu gewinnen, muss ein Kandidat durch Siege in einzelnen Staaten mindestens 270 Wahlmänner erreichen. Bislang haben weder Romney noch Obama diese Summe annähernd sicher.
Romney versuchte dennoch, die Öffentlichkeit bei seinen jüngsten Auftritten davon zu überzeugen, dass er klar auf der Siegerstraße sei. "Ich bin optimistisch. Wir werden gewinnen", rief er am Mittwoch Unterstützern bei einer Kundgebung in Iowa zu. Seine Zugewinne in den Umfragen in den vergangenen Wochen spiegelten sich auch bei den Wahlkampfspenden wider. Allein in der ersten Oktoberhälfte habe der Ex-Gouverneur fast 112 Millionen Dollar (86,4 Millionen Euro) eingenommen, gaben seine Kampagnenmitarbeiter bekannt. Das ist viel mehr als in vergleichbaren Zeiträumen in den Vormonaten.
Powell: "Ich wähle Obama"
Das Obama-Lager bezeichnete das siegsichere Verhalten von Romney als durchsichtiges Täuschungsmanöver. "Wir bleiben auf einen wahrscheinlicheren Weg zu den 270 Wahlmännerstimmen», sagte Obamas Berater David Plouffe. Auch der Präsident selbst gab sich zuversichtlich: «Wir wussten immer, dass es ein enges Rennen wird. Und wir haben momentan die Führung, die wir während der ganzen Kampagne hatten", sagte er in einem Interview des Fernsehsenders NBC.
Zugleich stellte sich mit Colin Powell ein ehemaliges Mitglied der Regierung des Obama-Vorgängers George W. Bush auf die Seite des Amtsinhabers. Der ehemalige US-Außenminister und Vier-Sterne-General sprach sich wie vor vier Jahren erneut für einen Wahlsieg von Obama aus. "Ich habe ihn 2008 gewählt. Ich werde nächsten Monat für ihn und Vizepräsident Joe Biden stimmen", sagte Powell. Er lobte Obama dafür, den Krieg in Afghanistan zu beenden und erfolgreich gegen den Terrorismus vorzugehen. Das außenpolitische Programm von Romney charakterisierte er als viel zu widersprüchlich.
Am Donnerstag sprach sich zudem die renommierte Tageszeitung "Washington Post" für Obama aus. Der Präsident sei "mit Abstand die bessere Wahl", schrieben die leitenden Redakteure des Blattes in einem Kommentar. Romney scholten sie vor allem in Wirtschaftsfragen für Vorschläge, die "eher beleidigend als beruhigend" seien.
dpa - Bild: Joe Raedle (afp)