Der UN-Syrienvermittler Lakhdar Brahimi schätzt die Chancen für eine dauerhafte Waffenruhe in Syrien als "mikroskopisch klein" ein. Die Friedensbemühungen seien ein "sehr, sehr schwieriger Prozess", sagte Brahimi am Mittwoch zum Abschluss einer Reise durch mehrere Länder der Region im libanesischen Beirut.
Zugleich warnte Brahimi eindringlich vor einem Übergreifen des blutigen Konflikts auf die Nachbarstaaten. Sollte sich die Krise ausweiten, drohe sie "alles zu zerstören".
Brahimi hatte Regierung und Aufständischen eine vorübergehende Waffenruhe während des islamischen Opferfests in der kommenden Woche vorgeschlagen. Am Mittwoch zeigte er sich vorsichtig zuversichtlich: "Wenn die (syrische) Regierung zustimmt, und dafür gibt es bereits Signale, und wenn die Opposition zustimmt, dann wäre dies ein kleiner Schritt hin zu einem Ende der Gewalt."
Der oppositionelle Syrische Nationalrat (SNC) äußerte sich dagegen wenig optimistisch zu der Initiative des UN-Vermittlers. Der SNC habe Brahimi vor einigen Tagen in Istanbul erklärt, dass die Opposition jede Initiative für eine Waffenruhe begrüße, sagte der SNC-Vorsitzende Abdelbaset Sieda in einem Interview mit der arabischen Tageszeitung Al-Hayat. "Wir haben ihm aber auch gesagt, dass wir nicht damit rechnen, dass seine Mission erfolgreich sein wird", fügte Sieda hinzu.
Die Radikalisierung der Revolutionäre beobachtet der SNC mit großer Sorge. "Jeden Tag sterben in Syrien 150 bis 200 Märtyrer, ganz zu schweigen von der systematischen Zerstörung", sagte Sieda. "Diese Situation führt - wenn sich keine Lösung findet - mittelfristig dazu, dass sich verschiedene radikale Ideologien in allen Segmenten der Gesellschaft ausbreiten." Langfristig stelle diese Entwicklung auch eine Bedrohung für die Nachbarstaaten Syriens da, warnte Sieda. Westliche Regierungen hatten sich in den vergangenen Monaten mehrfach besorgt über die Bewaffnung islamistischer Brigaden in Syrien geäußert.
Nach Angaben des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Hilfe (Ocha) haben 1,2 Millionen der rund 21 Millionen Syrer durch die Kämpfe ihr Obdach verloren. 2,5 Millionen Menschen sind inzwischen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der Bürgerkrieg hat nach Angaben der UN-Organisation inzwischen 10 der 14 syrischen Gouvernements erfasst. Insgesamt 336.000 Menschen seien in den Nachbarländern und nordafrikanischen Staaten als Flüchtlinge registriert.
Am Mittwoch töteten die syrischen Regierungstruppen nach Angaben von Aktivisten bis zum Nachmittag 70 Menschen. Verluste aufseiten der Truppen von Präsident Baschar al-Assad soll es bei einem Angriff der Rebellen auf eine Straßensperre in der Provinz Idlib gegeben haben.
dpa - Bild: Tauseef Mustafa (afp)