Bei einer schweren Schiffskollision vor Hongkong sind 38 Menschen ums Leben gekommen. Darunter sind nach Polizeiangaben auch fünf Kinder. Es war einer der schlimmsten Unfälle auf See in der jüngeren Geschichte der ehemaligen britischen Kronkolonie. Rund 100 Menschen wurden am Montagabend ins Krankenhaus gebracht. Am Mittwoch waren noch vier in einem kritischen Zustand, unter ihnen ein sieben Jahre alter Junge und ein neunjähriges Mädchen. Ein Opfer war ein Brite, teilte das britische Konsulat in Hongkong mit.
Die am Dienstagabend festgenommenen Besatzungsmitglieder wurden am Mittwoch auf Kaution wieder freigelassen, teilte die Polizei mit. Bei den Festgenommenen handelte es sich um die Kapitäne der zwei Schiffe sowie Besatzungsmitglieder von beiden Schiffen. Ihnen wird vorgeworfen, dass Leben von Menschen auf See in Gefahr gebracht zu haben.
Ein Stromversorgungsunternehmen hatte das Ausflugsboot "Lamma IV" für seine Mitarbeiter und deren Familien gechartert. Gemeinsam wollten sie sich das Feuerwerk zum chinesischen Nationalfeiertag am 1. Oktober im Victoria Hafen anschauen. Aus noch unbekannter Ursache stieß das Schiff mit gut 120 Menschen an Bord vor der Hongkonger Insel Lamma mit der Fähre "Sea Smooth" zusammen. Die Kollision riss ein Loch in das Heck der "Lamma IV". Viele der Passagiere wurden durch den Aufprall über Bord geworfen oder waren im Schiff gefangen.
"Plötzlich war ich tief unter Wasser", berichtete ein Überlebender der Zeitung "South China Morning Post". "Ich schwamm mit voller Kraft und versuchte, eine Rettungsboje zu fassen. Ich weiß nicht, wo meine beiden Kinder sind." Die Kollision habe sich bei voller Fahrt ereignet. Das Schiff sei binnen Minuten teilweise gesunken. Im kalten, unruhigen Wasser kämpften Familien ums Überleben. Wie auf Fernsehbilder zu sehen war, ragte nur der Bug aus dem Wasser.
Andere Überlebende erzählten dem Blatt, sie seien im untergehenden Schiff eingeschlossen gewesen und hätten Fenster einschlagen müssen, um sich zu befreien. Ein Mann schilderte eine Schrecksekunde: "Nach ein paar Minuten, etwa fünf, konnte ich sehen, wie das Schiffsende vertikal aus dem Wasser ragte. Ich kann nicht sagen, ob es der Bug war oder das Heck", berichtete er. "Genauso wie die Titanic."
Fähre verantwortlich
Der Eigentümer des Unglückschiffes, Hongkong Electric, machte die Fähre für den Unfall verantwortlich. Sie habe das Ausflugsboot an der Seite gerammt und sei dann einfach weitergefahren, sagte ein Vertreter von Hongkong Electric der Zeitung. Die Fähre mit rund 100 Menschen an Bord konnte nach dem Unfall leicht beschädigt anlegen.
Einige Passagiere seien leicht verletzt worden, hieß es. Der Fähreigentümer, die Hongkong and Kowloon Ferry Holdings, verteidigte am Mittwoch die Entscheidung des Kapitäns, das sinkende Ausflugsboot zurückzulassen.
Hongkongs Regierungschef, Leung Chun-ying, der Verletzte im Krankenhaus besucht hatte, versprach eine gründliche Untersuchung. Die Regierung rief drei Tage offizielle Trauer aus.
dpa - Bild: Philippe Lopez