Bei einem neuen Massenprotest gegen die Sparpolitik im hoch verschuldeten Euro-Land Portugal haben die Gewerkschaften "zur Verschärfung des Kampfes" einen Generalstreik angekündigt. Zehntausende nahmen am Samstag in Lissabon an der vom Gewerkschaftsdachverband CGTP organisierten Kundgebung teil. Sie forderten nicht nur das Ende der strengen Sparpolitik, sondern auch den Rücktritt der Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho. Die Kundgebung verlief friedlich. Es war bereits der dritte Massenprotest in nur zwei Wochen.
"Das Volk hat die Angst verloren (...) wir werden den Kampf weiter verschärfen", rief CGTP-Generalsekretär Arménio Carlos in die Menge, die sich auf dem Platz Praça do Comércio am Tejo-Fluss im Zentrum der Hauptstadt versammelt hatte. Man müsse die Regierung loswerden, bevor sie das Land zerstöre, sagte er vor dem Hintergrund einer tiefen Rezession und einer Rekordarbeitslosenquote von 15,7 Prozent. Der Generalstreik sei noch vor Jahresende geplant. Über den Termin werde der außerordentliche CGTP-Nationalkongress am Mittwoch entscheiden.
Alternativen zu Sparmaßnahmen suchen
Dabei hatte Regierungschef Passos nach den ersten Massenprotesten erst am vergangenen Montag angekündigt, dass er Alternativen zu besonders umstrittenen Sparmaßnahmen wie der auch innerhalb der Regierung angeprangerten Erhöhung der Sozialbeiträge suchen wolle. Der Opposition gingen diese Zugeständnisse allerdings nicht weit genug. Die stärkste Oppositionskraft im Parlament, die Sozialistische Partei (PS), die alle vorherigen Sparaktionen mitgetragen hatte, teilte mit, sie wolle gegen den Staatsetat 2013 stimmen.
Die Demonstranten trugen am Samstag Plakate mit Aufschriften wie "Weg mit den Dieben!" und "Viele Kinder werden vor Hunger sterben". Am Sonntag zog die Zeitung "Público" Bilanz: "Sparen gleicht das Fehlen einer Politik nun einmal nicht aus." Der Platz Praça do Comércio sei nicht umsonst "zum Bersten voll" gewesen.
Portugal hatte bisher bei der Sanierung der Staatsfinanzen Erfolg. Im August hatte Lissabon jedoch eingeräumt, wegen eines Einbruchs der Steuereinnahmen infolge der Rezession werde man das Haushaltsdefizit-Ziel für 2012 ohne zusätzliche Sparmaßnahmen nicht erreichen. An diesem Freitag wurde bekannt, dass das Haushaltsdefizit im ersten Halbjahr mit 6,8 Prozent der Wirtschaftsleistung 1,8 Punkte über dem mit den Geldgebern vereinbarten Gesamtjahreswert lag.
Die "Troika" aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, die Portugal 2011 mit einem 78-Milliarden-Euro-Paket unter die Arme griff, hatte erst Anfang des Monats aufgrund der jüngsten Probleme das Defizitziel für 2012 von 4,5 auf 5,0 Prozent gelockert und das Sanierungsprogramm des ärmsten Landes Westeuropas um ein Jahr auf 2014 verlängert.
dpa/rkr Bild: Patricia De Melo Moreira (afp)