Zum sinnlosen Töten in Syrien gesellt sich jetzt auch die wahllose Zerstörung seines Kulturerbes. Im mittelalterlichen Basar der seit Tagen schwer umkämpften Stadt Aleppo gerieten jetzt mehrere Gebäude in Brand. Erst wenige Tage zuvor hatten Archäologen die Folgen eines Artillerieangriffs auf eine osmanische Moschee in der Stadt beklagt. In einem von ihnen veröffentlichten Video ist die zerstörte Kuppel der Ibrahimija-Moschee zu sehen. Die Altstadt von Aleppo steht auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes.
Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und den Rebellen gingen am Wochenende unvermindert weiter. Nach Angaben beider Seiten starben mehr als 200 Menschen. In einem Dorf der Provinz Homs sollen Regimegegner am Sonntag 17 Menschen getötet haben. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana. In einem Internet-Forum von Unterstützern von Präsident Baschar al-Assad hieß es dazu: "Die verbrecherischen Hunde der Muslimbruderschaft haben das Dorf Al-Haidarije im Umland von Al-Kusair und die dortigen Volkskomitees angegriffen". Die sogenannten Volkskomitees sind paramilitärische regimetreue Bürgerwehren.
Die Regimegegner schwiegen zunächst zu dem Sana-Bericht. Sie berichteten ihrerseits, sie hätten in einem Keller in Damaskus die Leichen von 30 Vermissten gefunden. Der sogenannte Rat der Führung der Revolution in Damaskus teilte am Sonntag mit, die Toten seien in einem Kellergewölbe im Stadtteil Asali entdeckt worden. Sie seien alle hingerichtet worden. Es handele sich um Bewohner des Viertels sowie um einige Männer, die an verschiedenen Straßensperren festgenommen worden seien und seither als vermisst gegolten hätten.
Insgesamt habe es am Sonntag rund 80 Tote gegeben, berichteten die Regimegegner. Damit stieg die Gesamtzahl der Toten am Samstag und Sonntag auf 240.
Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete am Sonntag einen Anschlag von Regimegegnern auf ein Zentrum der Sicherheitskräfte in der Kurden-Stadt Kamischli. Durch die Explosion der Autobombe seien acht Angehörige der Regierungstruppen getötet und 15 Menschen verletzt worden.
Aktivisten veröffentlichten unterdessen mehrere Videos, die zeigen, wie in der Nacht mehrere Geschäfte im historischen Basar von Aleppo brennen. Der Leiter der Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter, Rami Abdulrahman, sagte der Nachrichtenagentur dpa, die historischen Gebäude der Stadt würden nach und nach alle beschädigt oder sogar zerstört. Die Handelsmetropole Aleppo ist eine der ältesten dauerhaft besiedelten Städte der Welt.
An diesem Montag wollen Experten aus der Region in Kairo diskutieren, wie man die Zerstörung historischer Stätten in Syrien - dazu zählen Kreuzfahrerfestungen, osmanische Moscheen, römische und byzantinische Siedlungen - eindämmen kann. Vor allem Moscheen und Festungen geraten häufig unter Beschuss, weil sie wegen ihrer oft strategisch günstigen Lage von Kämpfern der Opposition, Milizionären und Soldaten besetzt werden.
Neuseeland fordert Einschränkung von Vetorecht
Neuseeland hat die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats aufgefordert, bei Angelegenheiten in Zusammenhang mit Gräueltaten großer Ausmaße auf ihr Vetorecht zu verzichten.
Mit der Blockade im Syrien-Konflikt riskiere das Gremium in den Augen Vieler einen Verlust seiner Glaubwürdigkeit, sagte der neuseeländische Außenminister Murray McCully am Samstag vor der UN-Vollversammlung in New York. Neuseeland hat die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats aufgefordert, bei Angelegenheiten in Zusammenhang mit Gräueltaten großer Ausmaße auf ihr Vetorecht zu verzichten. Wenn 25.000 Tote, unzählige Verletzte, Flüchtlinge und Obdachlose den Sicherheitsrat nicht zum Handeln bekommen - was dann?"
Die Frustration darüber sei unter seinen Landsleuten extrem hoch, sagte McCully weiter. Der Sicherheitsrat müsse dringend reformiert werden. Abschaffen könne man das Vetorecht seiner Meinung nach nicht, aber es müsse beschränkt werden. Russland und China hatten mit ihrem Veto wiederholt scharfe Resolutionen im Syrien-Konflikt verhindert und die Fronten im Sicherheitsrat so bis zur Blockade verhärtet. Auch Frankreich, Großbritannien und die USA haben ein Vetorecht in dem insgesamt 15 Mitglieder zählenden Gremium.
Am fünften Tag der Generaldebatte der Vollversammlung sprachen am Samstagvormittag (Ortszeit) außerdem unter anderem die Außenminister Rumäniens, Islands und Kasachstans zu den Delegierten. Am Samstagnachmittag und Sonntag pausiert die Versammlung, bevor sie am Montag zum sechsten und letzten Tag der Debatte wieder zusammentrifft. Dann werden unter anderem die Außenminister von Syrien, Kuba, Weißrussland, Ecuador und Indien erwartet.
dpa/dradio/mh - Archivbild: James Lawler Duggan (afp)