Der heutige 28. September ist ein Schicksalstag für die SPD in Deutschland: Kurt Beck wird in Rheinland-Pfalz das Feld räumen, Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten ausgerufen.
Vielleicht ist es nur Zufall, dass sich der Ministerpräsident des Nachbarlandes Rheinland-Pfalz für seinen Paukenschlag ausgerechnet diesen Freitag ausgesucht hat, um seinen Rückzug zu verkünden.
Es ist so oder so eine Überraschung. Denn Beck hat erst vor knapp einem Monat ein Misstrauensvotum der CDU wegen der Nürburgring-Pleite überstanden.
Nah bei de Leut
Der 63-Jährige - Sein Motto: «Nah bei de Leut» - hat ein wahrlich turbulentes Jahr hinter sich: Schon im Mai kamen Spekulationen auf, er nehme bald den Hut. Da stellte Beck klar, er wolle bis zur Landtagswahl 2016 im Amt bleiben - wenn seine Gesundheit das zulasse. Das Nürburgring-Projekt in der Eifel wurde zur größten Wunde in seiner langen Zeit als Ministerpräsident. Beck entschuldigte sich für das Debakel, lehnte einen Rücktritt aber stets ab. Er verwies darauf, dass er Hunderte andere Projekte erfolgreich bewältigt habe, wie etwa die Umwandlung vieler Militärflächen, wie in Bitburg.
Beck gilt trotz der Nürburgring-Affäre als beliebter Landesvater. Manche behaupten, er habe schon der Hälfte der vier Millionen Rheinland-Pfälzer die Hand geschüttelt. Der Maurersohn machte nach der Ausbildung zum Elektromechaniker und der frühen Hochzeit mit seiner Frau Roswitha auf dem zweiten Bildungsweg die Mittlere Reife. Eine Biografie, mit er nicht nur in der SPD punkten konnte. 2006 stieg Beck sogar zum SPD-Bundesvorsitzenden auf. Im rauen Berliner Politikbetrieb wurde der bodenständige Pfälzer aber nicht glücklich. 2008 schmiss Beck wegen parteiinterner Querelen hin und kehrte in seine Wohlfühloase Rheinland-Pfalz zurück. Als Koordinator der rot-grün regierten Länder, als Chef des ZDF-Verwaltungsrats und der Rundfunkkommission der Länder mischt Beck ohnehin in ganz Deutschland mit.
Beck und die DG
Auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit der DG profitierte von dem überzeugten Europäer in Mainz. Von Anfang an hat Beck zunächst mit Joseph Maraite und später noch enger mit seinem belgischen Parteifreund Karl Heinz Lambertz vielfältige Formen der Zusammenarbeit im Rahmen der Großregion ausgelotet oder via Ausschuss der Regionen in Brüssel engagiert begleitet. Zahlreiche Kooperationen zwischen dem Bundesland, der Wallonie und der DG konnten auf den Weg gebracht werden. Als bewährter Netzwerker wusste Beck stets die Kontakte nach Eupen nicht zuletzt im Rahmen belgischer EU-Verantwortungen in bilateralem Interesse zu nutzen.
Die Nachfolgeregelung erweist sich übrigens als zusätzlicher Coup. Als Kronprinzen galten bisher Innenminister Lewentz, der nun SPD-Landeschef werden soll, und SPD-Fraktionschef Hering. Nachfolgerin soll aber die 51-jährige Malu Dreyer werden. Die Sozialministerin stammt wie Beck aus der Pfalz und galt trotz ihrer Erkrankung bisher nur hinter vorgehaltener Hand als «Nachfolgerin der Herzen». Die freundlich und warmherzig wirkende Politikerin ist parteiübergreifend beliebt. Und seit einem Jahrzehnt ist sie bereits mit dem Vorhaben Großregion vertraut, weil sie der Liebe wegen nach Trier übersiedelte. Sie ist mit dem dortigen Oberbürgermeister Klaus Jensen verheiratet. Die Mutter von vier Kindern und neue rheinland-pfälzische Landesmutter ist somit zumindest in geographischer Hinsicht noch näher ins Zentrum der Großregion gerückt. pa/rkr
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