17 Reden und Ansprachen in vier Tagen: Als Papst Benedikt XVI. vor einem Jahr Deutschland besuchte, hatte er viel zu sagen. Doch hat er auch viel bewegt?
Wer sich heute umhört in der Kirche, erntet vielerorts Achselzucken: Viele Probleme sind geblieben, neue hinzugekommen. Der Papstbesuch vom 22. bis 25. September 2011 hat daran nichts geändert.
Was in Erinnerung geblieben ist: der Auftritt des deutschen Pontifex im Bundestag und seine Forderung nach einer «Entweltlichung» der Kirche. Aber sichtbare Konsequenzen hatte beides nicht.
Dabei sah es zunächst anders aus: Die katholische Kirche kündigte nach dem Papstbesuch an, sich vom Augsburger Weltbild-Verlag zu trennen, der auch erotische und esoterische Schriften vertrieb. Das wäre ein Stück Entweltlichung gewesen, aber im Juni wurde das Vorhaben wieder abgeblasen. Weltbild soll nun doch nicht verkauft, sondern in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt werden.
Ähnlich beim Thema Staatsleistungen: In Freiburg hatte der Papst gemahnt, die Kirche müsse sich befreien «von materiellen und politischen Lasten und Privilegien». Daraufhin wurde kurz über ein Ende der staatlichen Zahlungen debattiert, die den Kirchen jedes Jahr Hunderte Millionen Euro zur freien Verwendung in die Kasse spülen. Doch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, stellte schnell klar: Dies habe der Papst sicher nicht gemeint. Was hat er dann gemeint? Das ist auch ein Jahr danach nicht ganz klar. Dasselbe gilt für seine hoch philosophische Rede im Bundestag, wonach die sittlichen Normen aus der unveränderlichen Natur des Menschen abgeleitet werden können.
Entweltlichte Kirche?
Kritiker verweisen darauf, dass Benedikt XVI. erst einmal vor der eigenen Haustür kehren müsse. Der ganze Vatikanstaat sei schließlich ein großes politisches Privileg. Das Finanzgebaren der Vatikanbank und die «Vatileaks»-Affäre um den Diebstahl und die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente passten nicht recht ins Bild einer entweltlichten Kirche. Seit dem Skandal um massenhaften sexuellen Missbrauch von Kindern durch Geistliche ist das Ansehen der katholischen Kirche ohnehin beschädigt. Die deutschen Bischöfe wollten mit einem groß angelegten «Dialogprozess» Vertrauen zurückgewinnen. Der Papstbesuch sollte dabei helfen. Doch Benedikt machte deutlich, dass er nicht viel davon hält.
Auch für die Reformanliegen der Katholiken in Deutschland hat der deutsche Papst wenig Verständnis gezeigt: Gemeinsame Kommunionfeiern mit Protestanten, verheiratete Priester, auch Priesterinnen, mehr Verständnis für Homosexuelle und wiederverheiratete Geschiedene, mehr Mitbestimmung des Kirchenvolks: All dies wird Benedikt kaum zulassen. Die Kluft zwischen offizieller Lehre und der Überzeugung von Millionen Gläubigen nimmt zu.
Die reformkatholische Bewegung «Wir sind Kirche» bilanziert daher: «Der Papstbesuch hat nicht der Einheit gedient, sondern die polarisierenden Kräfte gestärkt.» Das sieht der Freiburger Erzbischof Zollitsch anders. «Das waren Tage der Ermutigung, die weiterwirken», betont er. Die Ergebnisse ließen sich zwar nicht «messen», aber Benedikt habe die Kirche in Deutschland ermutigt. «Zudem hat der Besuch des Papstes in Berlin, Erfurt und in Freiburg gezeigt, dass es viele sind, weit mehr als uns dies im Alltag bisweilen bewusst ist, die sich vom Glauben bewegen lassen und zum Glauben an Gott bekennen.»
dpa - Bild: Kay Nietfeld (afp)