"Die europäische Bankenaufsicht wird die Glaubwürdigkeit stärken", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch bei seiner Rede zur Lage der Europäischen Union vor dem Europaparlament in Straßburg. EU-Länder, die den Euro nicht als Währung haben, sollen sich der Aufsicht anschließen können.
Die neue "Superaufsicht" ist die Voraussetzung dafür, dass klamme Institute künftig direkt auf Kredite aus den Euro-Rettungsfonds zugreifen können. Die EU-Kommission schlägt als Starttermin daher bereits Januar 2013 vor.
Kernrolle für die EZB
Die Europäische Zentralbank (EZB) soll bei der Aufsicht nach Barroso Worten "eine Kernrolle" bekommen. Die Aufseher könnten Bilanzen prüfen, Geldstrafen verhängen und Banken letztlich sogar die Lizenz entziehen. Dabei sollen sie gemeinsam mit den nationalen Aufsehern - in Deutschland sind das die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und die Bundesbank - handeln.
"Dies ist der erste Schritt zu einer Bankenunion", sagte Barroso und kündigte weitere Vorschläge für den Herbst an. Zu den Bausteinen der Bankenunion gehören eine gemeinsame Einlagensicherung zur Garantie der Spareinlagen von Bürgern sowie ein Abwicklungsfonds, der Pleitebanken auffangen und von den Banken finanziert werden soll.
Aus Deutschland gibt es massive Kritik an den Plänen. Die deutsche Regierung glaubt, dass der Starttermin Januar 2013 nicht zu schaffen ist und fordert, die Aufsicht auf große Banken zu begrenzen. Deutschland kann die Pläne blockieren, weil alle 27 EU-Länder zustimmen müssen.
Barroso hielt dem entgegen, dass auch kleine Institute bei einer Pleite das gesamte Bankensystem erschüttern könnten: "Die Aufsicht muss sich mit allen Banken befassen, denn Systemrisiken kann es in allen Banken geben."
Barroso will Staatenbund und neuen EU-Vertrag
Die EU-Mitgliedsstaaten müssen nach Ansicht von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso künftig noch mehr politische und wirtschaftliche Kompetenzen an die Europäische Union abgeben. Barroso schlug am Mittwoch die Fortentwicklung der Europäischen Union zu einem "Staatenbund der Nationalstaaten" vor. Die Kommission werde noch vor den nächsten Wahlen für das Europaparlament Mitte 2014 Vorschläge für die dafür nötigen Änderungen des erst Ende 2009 in Kraft getretenen Lissabon-Vertrages machen.
"Lassen Sie uns keine Angst vor dem Wort haben: Wir müssen uns hin zu einem Staatenbund der Nationalstaaten bewegen", sagte Barroso in einer Rede zur Lage der Europäischen Union. "Eine vertiefte und echte Wirtschafts- und Währungsunion kann mit dem derzeitigen Vertrag begonnen, aber nur mit einer Änderung des Vertrages vollendet werden."
Föderation der Nationalstaaten
Die Europäische Union mit einer vertieften Währungs- und Wirtschaftsunion sowie einer politischen Union müsse "sich entwickeln": "Ich fordere heute eine Föderation der Nationalstaaten, keinen Superstaat." Ein solcher Staatenbund sei nötig, weil es "in turbulenten Zeiten, in Zeiten der Angst ein echter Fehler wäre, die Verteidigung der Nation bloß den Nationalisten und den Populisten zu überlassen".
Er wolle "einen demokratischen Staatenbund der Nationalstaaten, der unsere Probleme durch das Teilen von Souveränität in einer solchen Weise angeht, dass jedes Land und dessen Bürger besser ausgestattet sind, um ihr eigenes Schicksal zu kontrollieren". "In der Zeit der Globalisierung bedeutet gemeinsame Souveränität mehr Macht, nicht weniger", sagte Barroso.
Die Kommission werde noch vor den kommenden Wahlen des Europaparlaments Mitte 2014 "genaue Vorschläge für Vertragsänderungen" machen. "Die Zeiten der europäischen Integration durch das stillschweigende Einverständnis der Bürger sind vorbei. Barrosos Vorschlag wurde vom liberalen Fraktionsvorsitzenden Guy Verhofstadt kritisiert. Er wolle keine Föderation von Nationalstaaten, sondern "eine föderale Union der europäischen Bürger".
dpa/est - Bild: Frederick Florin (afp)