Europa erwartet nach dem spektakulären EZB-Anleihenbeschluss eine spanische Entscheidung über einen möglichen neuen Rettungsantrag.
Die spanische Nachrichtenagentur Efe zitierte am Sonntag EU-Quellen in Brüssel, wonach Spanien zwar «rasch», aber frühestens Ende September Hilfe des EU-Rettungsfonds erbitten werde. Diesen Quellen zufolge hat Spanien «keine andere Wahl» als vollständig unter den Rettungsschirm zu flüchten.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte am Donnerstag beschlossen, klammen Eurostaaten mit notfalls unbegrenzten Mitteln zu helfen, wenn sich diese am Kapitalmarkt nur noch zu sehr hohen Zinsen finanzieren können. Allein der Beschluss der Währungshüter hatte schon zu einer Entspannung an den Finanzmärkten geführt.
Unter den Schirm
Die EZB verspricht, Anleihen notleidender Länder aufzukaufen, um so die Konditionen am Markt zu mildern - Voraussetzung wäre allerdings, dass das betroffene Land unter einen Euro-Rettungsschirm (EFSF/ESM) schlüpft und die dafür nötigen strengen Reformvorgaben auf sich nimmt. Genau dies hatte Spanien bislang gescheut. Das Land will bislang nur Milliardenhilfen zur Sanierung seines maroden Bankensektors in Anspruch nehmen, die an weniger strenge Bedingungen geknüpft sind. Spanien hat aktuell vor allem mit wachsenden Finanzproblemen hoch verschuldeter Regionen wie Valencia und Katalonien zu kämpfen.
In Spanien selbst rechnen Finanzexperten indes nicht mit einem schnellen spanischen Antrag auf Nothilfe beim Euro-Rettungsfonds. «Spanien hat jetzt keine Eile», sagte der Direktor für Investitionen der privaten Bankenvereinigung Atl Capital, Ignacio Cantos, am Sonntag der Nachrichtenagentur Efe. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Zinsen für spanische Anleihen am Kapitalmarkt weiter zurückgehen würden, so dass sich das Land zu wesentlich günstigeren Konditionen finanzieren könne. Dies verringere die Notwendigkeit, ein Hilfegesuch beim EU-Rettungsfonds einzureichen.
Vize-Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría hatte am Freitag betont, dass die Regierung die von der EZB verlangten strengen Bedingungen für erneute Ankäufe von Staatsanleihen zuerst «genau und detailliert» prüfen werde, bevor sie eine Entscheidung treffen werde. Spanische Medien rechnen damit, dass diese Konditionen beim Treffen der Euro-Finanzminister am Freitag in Nikosia (Zypern) bekanntgegeben werden.
What about Italy?
Als zweiter Kandidat für ein Hilfsprogramm gilt Italien, das im Zuge der Euro-Schuldenkrise ebenfalls unter zeitweise deutlich erhöhten Kapitalmarktzinsen zu leiden hatte. Auch Rom hat bislang abgewunken. Ministerpräsident Mario Monti erklärte wiederholt, dass der eingeschlagene Reformkurs seiner Regierung greife und dass internationale Hilfen nicht nötig seien. Allerdings sagte Monti am Samstag in einem Fernsehinterview, es wäre kein Drama, wenn sein Land eines Tages um Hilfe bitten müsste.
Italien oder Spanien müssten im Falle eines Rettungseinsatzes von EU oder EZB keine zusätzlichen Daumenschrauben über bisherige Regeln hinaus fürchten. Wenn die EU-Kommission ein Hilfsgesuch bekomme, dann müsse das jeweilige Land den derzeit bestehenden Bedingungen dafür nachkommen, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn der Zeitung «Il Sole 24 Ore» am Sonntag am Rande eines Wirtschaftsforums im italienischen Cernobbio. Es gebe also keine neuen Bedingungen. Allerdings müsse das jeweilige Land eine Absichtserklärung unterzeichnen, die auch einen klaren Fahrplan für die von der EU geforderten Reformen enthält.
Nach «Spiegel»-Informationen stellt sich die EZB für das laufende Jahr auf Belastungen von etwa 70 bis 100 Milliarden Euro aus dem am Donnerstag beschlossenen Ankaufprogramm ein. Das Magazin beruft sich auf ein «internes Szenario» der Notenbank, für den Fall, dass die Zinsen für spanische und italienische Anleihen wieder nach oben schießen. «Dabei wird davon ausgegangen, dass die EZB rund zehn bis 14 Prozent der für das Programm in Frage kommenden Bonds ankauft, um die Zinsen für diese Länder zu stabilisieren.»
dpa - Bild: Juanjo Martin (epa)