Der neue internationale Syrien-Vermittler Lakhdar Brahimi hat die in ihn gesetzten Hoffnungen auf eine Lösung des blutigen Konflikts gedämpft. "Die Konfliktparteien haben sehr starke Ansichten", sagte der algerische Karrierediplomat zum Start seiner Mission dem Nachrichtensender Al-Dschasira. "Ich werde mit allen Seiten reden", kündigte er an. Letztlich liege es jedoch an den Konfliktparteien selbst, Syrien aus der Krise zu führen.
Die Entsendung arabischer Truppen werde derzeit nicht erwogen, sagte er dem Sender Al-Arabija. "Ein militärisches Eingreifen in Syrien bedeutet das Scheitern der diplomatischen Bemühungen."
Bombenanschlag in Vorort von Damaskus
Im Land geht indes das Sterben weiter. Bei einem Bombenanschlag in einem Vorort von Damaskus kamen nach Angaben der Staatsmedien in der Nacht zum Sonntag mindestens 15 Menschen um. Im Norden und Osten Syriens verstärkten die Rebellen am Wochenende ihre Bemühungen, Luftwaffenstützpunkte des Regimes von Baschar al-Assad unter ihre Kontrolle zu bringen. Regimetruppen griffen am Sonntag mit Kampfhubschraubern die Aufständischen auf dem Militärflughafen Abu Zhuhur an, den diese vor wenigen Tagen erobert hatten, wie syrische Aktivisten berichteten.
Brahimi übernahm am Samstag vom ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan das Mandat des Syrien-Vermittlers der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga. Annan war mit dem Plan eines Waffenstillstands und eines späteren Dialogs zwischen den verfeindeten Seiten gescheitert. In bitteren Bemerkungen hatte er dafür zuletzt vor allem die Zerstrittenheit des Weltsicherheitsrates verantwortlich gemacht. Die Vetomächte Russland und China verhindern bislang wirksame Sanktionen gegen das Assad-Regime.
In dem am Samstag veröffentlichten Al-Arabija-Interview betonte der erfahrene Krisendiplomat Brahimi, seiner Ansicht nach trage die Regierungsseite die größere Verantwortung für ein Ende der Gewalt. Sie müsse endlich den Wunsch der Bevölkerung nach grundlegenden Veränderungen erfüllen. "Der Wandel (in Syrien) ist notwendig, unaufschiebbar und unvermeidlich", meinte Brahimi auch im Interview von Al-Dschasira, das in der Nacht zum Sonntag ausgestrahlt wurde.
Kämpfe um Militärflughäfen
Die syrischen Rebellen greifen indes zunehmend Militärflughäfen des Assad-Regimes an. Bei einer Attacke auf den Stützpunkt Kuris in der nördlichen Provinz Aleppo sollen sie sogar Kampfjets am Boden zerstört haben, wie Aktivisten am Samstag berichteten. Bei der Erstürmung eines Luftwaffenstützpunkts in der östlichen Provinz Deir as-Saur erbeuteten die Rebellen nach eigenen Angaben eine nicht näher genannte Zahl von Luftabwehrraketen des Typs "Cobra".
Den Bombenanschlag in der Nacht zum Sonntag schrieb die staatliche Nachrichtenagentur Sana "bewaffneten Terroristen" zu. Die Regimemedien verwenden diese Bezeichnung auch für die Rebellen, die gegen die Assad-Truppen kämpfen. Der Sprengsatz war in einem Fahrzeug nahe dem palästinensischen Flüchtlingslager in Al-Sbeineh explodiert. Wenige Stunden zuvor war in Damaskus nach diesen Angaben ein hochrangiger Militärarzt bei einem Bombenanschlag getötet worden.
Das brutale Vorgehen der Regimetruppen treibt immer mehr Menschen in die Flucht. Die Nachbarländer Türkei und Jordanien schlugen am Wochenende Alarm, dass ihre Kapazitäten für die Aufnahme von Flüchtlingen nicht mehr ausreichen würden. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verlangte deshalb erneut die Einrichtung einer für Flüchtlinge sicheren Pufferzone auf syrischem Boden. Das Vorhaben stößt allerdings bei westlichen Regierungen auf Vorbehalte.
Die Regierung in Amman drohte, ihre "Politik der offenen Tür" für syrische Kriegsflüchtlinge aufzugeben, wenn sich die internationale Gemeinschaft nicht bald dazu aufraffe, die für die Einrichtung weiterer Aufnahmelager nötigen 341 Millionen Euro bereitzustellen. "Wir können diese Last nicht mehr länger alleine tragen", sagte der jordanische Planungsminister Dschafar Hassan am Samstag auf einer Pressekonferenz in Amman.
dpa/jp/sd -Bild: Patrick Kovarik (afp)