Millionen Syrer hat der Bürgerkrieg in die Flucht getrieben - nun schlagen die Vereinten Nationen Alarm. "Wenn die Kämpfe weitergehen, wird die Zahl der Flüchtlinge unsere Möglichkeiten überschreiten", warnte der stellvertretende UN- Generalsekretär Jan Eliasson am Donnerstag (Ortszeit) im Weltsicherheitsrat in New York. "Inzwischen brauchen schon 2,5 Millionen Menschen in Syrien unsere Hilfe. Damit hat sich die Zahl seit März verdoppelt." Die Kämpfe zwischen Truppen des Assad-Regimes und Rebellen gingen unterdessen am Freitag unvermindert weiter.
Mehr als 1,2 Millionen Menschen haben laut UN in öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Moscheen Zuflucht gesucht. "229.000 Menschen sind außerhalb Syriens als Flüchtlinge registriert und die Zahl steigt schnell", sagte UN-Flüchtlingskommissar António Guterres. "Flüchtling zu werden ist für viele die einzige Möglichkeit, zu überleben."
Flüchtlingslager erreichen Kapazitätsgrenze
In den Nachbarländern Syriens kommen die Flüchtlingslager an ihre Kapazitätsgrenze. "Allein in letzten drei Tagen sind 12.000 unserer syrischen Brüder in unser Land gekommen", sagte der jordanische Außenminister Nasser Dschudeh. Das übersteige bald die Möglichkeiten seines Landes. "Bitte helfen Sie uns zu helfen."
Sein türkischer Kollege Ahmet Davutoglu sagte, innerhalb von nur 30 Stunden hätten mehr als 5000 Flüchtlinge sein Land erreicht. Auch er bat um Hilfe, zeigte sich aber zugleich enttäuscht vom Sicherheitsrat: "Ich bin davon ausgegangen, dass die große Not den Rat zur Einigkeit drängt. Ich wurde enttäuscht." Russland und China haben bislang drei Syrienresolutionen gegen die Mehrheit des Sicherheitsrates blockiert.
In der umkämpften syrischen Stadt Aleppo beschossen Truppen von Präsident Baschar al-Assad am Freitag mehrere Wohnviertel mit Granaten. Die Artillerieangriffe richteten sich gegen die Bezirke Hananu, Bustan al-Kasr und Salaheddin, berichteten die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London. Sie erfolgten als Antwort auf eine Attacke syrischer Rebellen auf eine Sicherheitszentrale im Stadtteil Al-Sahraa. Augenzeugen sahen Flammen in dem Gebäude.
In der nördlichen Provinz Idlib, die an die Türkei grenzt, kündigten syrische Rebellen eine neue Offensive an. "Diese Operation besteht aus militärischen Attacken, um die Tötung von Zivilisten durch die Regimetruppen zu rächen", sagte der Rebellenkommandeur Omar al-Halebi aus Aleppo der Deutschen Presse-Agentur am Telefon. Insbesondere würden Militärflughäfen attackiert, von denen die Regimetruppen ihre Angriffe starten.
Am Vortag zählten Aktivisten der Opposition landesweit 80 Tote. Nach Angaben der Syrischen Menschenrechtsbeobachter starben allein beim Beschuss der Provinz Idlib durch Regierungstruppen 20 Menschen, darunter acht Kinder und neun Frauen. Eine unabhängige Überprüfung dieser Angaben war nicht möglich.
Iran weist Mursis Syrien-Kritik zurück
Unterdessen wies der Iran - eine enger Verbündeter Assads - die harsche Kritik von Ägyptens Präsident Mohammed Mursi am Regime in Syrien mit scharfen Worten zurück. Dem Ägypter "fehle die notwendige politische Reife", um einen Gipfel der Blockfreien Staaten (NAM) zu leiten, sagte der iranische Parlamentarier und frühere Vize- Außenminister Hussein Scheikholeslam der Nachrichtenagentur Mehr.
Mursi hatte die iranische Führung am Donnerstag brüskiert, indem er bei der Eröffnung des Blockfreien-Gipfels in Teheran die Unterstützung der Revolution in Syrien "eine moralische Pflicht sowie eine politische und strategische Notwendigkeit" nannte.
Die US-Regierung begrüßte die "starken" und "hilfreichen" Worte des ägyptischen Präsidenten. "Das war eine starke und deutliche Aussage von Präsident Mursi, der das offenkundig in Teheran gesagt hat, damit es dort auch einige Leute hören", sagte in Washington der stellvertretende Sprecher des Außenministeriums, Patrick Ventrell. Auch Westerwelle bewertete Mursis Auftritt positiv.
dpa/rkr - Archivbild: Adem Altan (afp)