Derzeit scheint in Spanien alles schief zu gehen. Zuerst stürzt König Juan Carlos über eine Treppenstufe. Wenig später fällt die ultragroße Landesflagge auf der Madrider Plaza de Colón wegen eines gerissenen Seils von einem 50 Meter hohen Mast herab auf die Erde. Und dann macht die Europäische Zentralbank (EZB) die Hoffnung der Spanier auf eine baldige Linderung der Finanzkrise zunichte.
Dabei hatten die Spanier damit gerechnet, dass die EZB massiv spanische Staatsanleihen erwerben und damit den unerträglichen Zinsdruck verringern würde, der auf den spanischen Staatsfinanzen lastet.
Aber Mario Draghi machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Der EZB-Präsident knüpfte einen Ankauf von spanischen Staatsanleihen an die Bedingung, dass die Regierung einen Hilfeantrag beim EU-Rettungsfonds stellt. Genau dies aber will Ministerpräsident Mariano Rajoy verhindern. «Draghi gibt Deutschland nach und versenkt Spanien», titelte die Zeitung «El Mundo» am Freitag.
Das Wirtschaftsblatt «Expansión» schrieb: «Die EZB verpasst Spanien eine kalte Dusche und lässt das Land in der Gefahrenzone schmoren.» Madrid kann nun nicht mehr darauf hoffen, dass die EZB in der Finanzkrise als Feuerwehr für das Land einspringen wird. Die Rendite für Madrider Zehn-Jahres-Anleihen bewegen sich in einer Größenordnung von fast sieben Prozent, was auf die Dauer als nicht finanzierbar gilt.
Im Herbst wird es kritisch
Wie lange wird die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone dem Druck der Märkte standhalten? Bis September muss der spanische Staat sich kein frisches Geld auf den Anleihemärkten beschaffen. Aber danach könnte es ernst werden. Vor dem Jahresende muss der Staat Anleihen über etwa 30 Milliarden Euro aufnehmen. Viele Experten halten es für praktisch unvermeidbar, dass Madrid, das bereits die EU um Hilfen bei der Rettung von Banken gebeten hatte, im Herbst ein neues Hilfegesuch stellen muss.
«Das wäre dann die Light-Version einer Rettung und nicht eine umfassende Rettung wie im Fall von Griechenland, Irland oder Portugal», betont «Expansión». Der Unterschied läge darin, dass Spanien keine direkten Finanzhilfen, sondern nur den Erwerb von Staatsanleihen bei den Rettungsfonds beantragen würde. Allerdings hätte ein solches Gesuch zur Folge, dass Madrid eine Reihe ökonomischer Bedingungen zu erfüllen hätte. «Diese Auflagen könnten auch einen Verlust von Souveränität im Bereich der Wirtschaftspolitik bedeuten», betonte die Zeitung «El País».
Die Entscheidung der EZB löste in Spanien teils Empörung und teils Resignation aus. «Man hat Spanien und Italien einen Tritt in den Hintern versetzt», protestierte der sozialistische Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba. «Die allmächtige Bundesbank hat sich in der EZB durchgesetzt und Draghi die Flügel gestutzt», kommentierte die Zeitung «La Vanguardia». «Sie hat gezeigt, dass Deutschland in der EZB den Ton angibt.»
Mehrere Experten plädierten dafür, dass Spanien sich seinem Schicksal fügen und das von Draghi erwähnte Hilfegesuch stellen sollte. «Die Bedingungen, die man uns Spaniern auferlegen wird, dürften sich kaum von dem unterscheiden, was wir ohnehin tun», meinte der Vermögensverwalter José Ramón Iturriaga. Rajoy hatte bislang ein zweites Hilfegesuch stets ausgeschlossen. Nun hält er sich bedeckt, er habe noch keine Entscheidung getroffen.
Von Hubert Kahl, dpa - Bild: Dani Pozo, afp