Nach dem Abgang des Syrien-Sondergesandten Kofi Annan bemüht sich die internationale Gemeinschaft, im Ringen um den Frieden das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen. Die Suche nach einem neuen Vermittler läuft. Die UN-Vollversammlung will an diesem Freitag das Regime von Machthaber Baschar al-Assad erneut per Resolution verurteilen.
In Syrien fließt weiter Blut. Aktivisten berichten von einem neuen Massaker der Regierungstruppen mit 62 Opfern. Wegen der dramatischen Entwicklung richtete die Bundesregierung einen eigenen Syrien-Arbeitsstab ein.
Die Mitglieder im UN-Sicherheitsrat beschuldigten sich gegenseitig, für das Scheitern von Annans Vermittlungsbemühungen verantwortlich zu sein. Die USA gaben Russland und auch China eine Mitschuld am Rückzug des Sondergesandten. Russland dagegen warf dem Westen indirekt vor, Annan aus dem Spiel genommen zu haben, um freie Hand für den Einsatz von Gewalt zu haben. China will im Syrien-Konflikt eine politische Lösung unterstützen.
Berichte über neues Massaker
Das Massaker soll sich in der zentralsyrischen Stadt Hama ereignet haben. Unter den Toten im Stadtteil Al-Arbain seien auch Frauen und Kinder, teilten die Lokalen Koordinationskomitees mit, ein Dachverband örtlicher Aktivsten. Das Militär habe auf den Dächern Scharfschützen postiert. Die Angaben ließen sich von unabhängiger Seite nicht überprüfen.
Auch in der erbittert umkämpften Metropole Aleppo spitzt sich die Lage weiter zu. UN-Untergeneralsekretär Hervé Ladsous befürchtet, dass sich Regierungstruppen und Rebellen in der Millionenstadt für den «Hauptkampf» rüsten. Auch der örtliche Rebellenkommandeur Abu Omar al-Halebi berichtete am Freitagmorgen von Dutzenden Lastwagen mit Soldaten und mehr als 100 Panzern des Regimes, die rund um Aleppo in Stellung gebracht würden.
Ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung setzt das Militär seine Bombardements aus der Luft fort. Nach Berichten der oppositionellen Syrischen Menschenrechtsbeobachter ließ Assad Angriffe auf das Wohnviertel Salahedin fliegen, wo um eine strategisch wichtige Zufahrtsstraße gekämpft wird. Kämpfe wurden auch aus Hama, Daraa und der Hauptstadt Damaskus gemeldet.
Aleppo vor humanitärer Katastrophe
Die umzingelte Stadt Aleppo steuerte auf eine humanitäre Katastrophe zu. Weil die Müllabfuhr nicht mehr arbeite, stinke der Abfall zum Himmel, berichtete eine Reporterin des Fernsehsenders Al-Dschasira aus der Stadt. Vor den wenigen verbliebenen Bäckereien bildeten sich lange Schlangen. Gas zum Kochen sei Mangelware.
Die 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wollen an diesem Freitag in der Vollversammlung über einen Text abstimmen, der Assads Blutbad am eigenen Volk scharf verurteilt. Wie die beiden Vorgänger-Resolutionen der Vollversammlung kann allerdings auch diese keine Strafmaßnahmen gegen das syrische Regime auslösen. Solche weitergehenden Sanktionen des UN-Sicherheitsrats waren bisher immer am Widerstand Russlands und Chinas gescheitert. Kofi Annan hatte seinen Rückzug am Donnerstag auch mit der in seinen Augen mangelnden Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft begründet.
Die Leitung der neuen «Task Force Syrien» der Bundesregierung übernimmt nach Angaben des Auswärtigen Amts der Nahost-Beauftragte des Außenministeriums, Boris Ruge. Der Arbeitsstab soll auch schon die Zeit nach einem Sturz von Machthaber Assad vorbereiten. Unterdessen sagten sich in Syrien erneut zwei hohe Militärs von Assad los. Einer der beiden, General Ahmed Tlass, ist ein Verwandter von General Manaf Tlass, des bislang einflussreichsten Überläufers. Ahmed Tlass soll dem Nachrichtensender Al-Arabija zufolge exzellente Kenntnisse über die Waffenbestände des Regimes und über das Innnenministerium haben.
dpa/sh